Ab 2017 ungebrochener vierjähriger Bildungsweg an Berner Gymnasien, Bild: Adrian Moser
Sekundarlehrer sind "nicht ganz glücklich" über Quarta-Entscheid, Bund, 12.6. von Dölf Barben
Der Grosse Rat hat am Dienstag entschieden: Ab Sommer 2017 wird gymnasialer Unterricht nur noch an Gymnasien
durchgeführt. Konsequenzen
hat dies insbesondere für jene gut zwei Dutzend Gemeinden, die an ihren
Oberstufenzentren gymnasialen Unterricht (GU9) anbieten. Das sind Klassen für
Neuntklässler, die an ihrer Sekundarschule das erste von vier Gymnasiumsjahren
absolvieren, die Quarta. Erziehungsdirektor Bernhard Pulver hatte die Situation
in Bezug auf den gymnasialen Unterricht im 9. Schuljahr im Kanton Bern als
Flickenteppich bezeichnet. Dieser verschwindet nun.
Die
Gymnasien sind froh darüber. Nun lässt sich für sie verwirklichen, was als
ungebrochener vierjähriger gymnasialer Bildungsweg bezeichnet wird. Wenn alle
Schülerinnen und Schüler von Anfang an am Gymnasium unterrichtet werden, müssen
zu Beginn des zweiten Jahres, der Tertia, nicht über 90 Prozent der Klassen neu
gebildet werden. Es sei «ganz klar», sagt Leonhard Cadetg, Rektor des
Seeland-Gymnasiums und Präsident der Konferenz der Schulleitungen der Gymnasien
des Kantons Bern, dass bei einem ungebrochenen Bildungsweg schliesslich bessere
Leistungen erzielt würden. Aus diesem pädagogischen Grund seien die Gymnasien
seit langem erpicht darauf gewesen, die Quarten selber zu führen.
Cadetg
betont, die Reorganisation bedeute nicht, dass die Sekundarschulen keine gute
Arbeit geleistet hätten. Im Gegenteil: «Wir haben hohen Respekt vor der Arbeit
der Sekundarlehrkräfte», sagt Cadetg. An den Gymnasien wird die Integration der
Schülerinnen und Schüler kaum grössere Probleme verursachen, weder in Bezug auf
das Personal noch in Bezug auf die Schulräume. Grund dafür ist die geplante
Reduktion der Lektionenzahl über die gesamte gymnasiale Ausbildung hinweg.
«Wir hatten keine Lobby»
Weniger
positiv wird der Grossratsentscheid bei den Sekundarlehrern aufgenommen.
Lamentieren nütze nun nichts mehr, sagte am Mittwoch Urs Kaufmann, Schulleiter
in Wattenwil. Über Jahre hinweg hat sich der Vorsitzende der Konferenz der
Schulleitungen der Oberstufenzentren des Kantons Bern gegen die sogenannte
Quarta-Lösung eingesetzt. «Aber unsere Argumente», findet er, «sind kaum gehört
worden – wir hatten keine Lobby.» Argumente hatte er indessen viele gehabt.
Dass der Unterricht an den GU9-Klassen jenem in den Quarta-Klassen der
Gymnasien in nichts nachstehe, ist für ihn nicht einmal das Wichtigste.
Kaufmann betont ein anderes: Für einen ungebrochenen vierjährigen Bildungsweg
an den Gymnasien einen gebrochenen dreijährigen Bildungsweg auf der
Sekundarstufe in Kauf zu nehmen, sei aus gesellschaftspolitischer Sicht ein
Blödsinn. Mit der Aufhebung der GU9-Klassen würden die stärksten Schülerinnen
und Schüler – die künftige Elite – schon nach der achten Klasse separiert und
in der Folge die Oberstufenzentren der Gemeinden verlassen. Gerade in
ländlichen Gebieten könne dies Konsequenzen für die Vereine und damit für den
Zusammenhalt in den Gemeinden haben. Auf der anderen Seite vermute er, sagt
Kaufmann, dass nicht alle Kinder, die heute eine GU9-Klasse besuchen würden,
auch tatsächlich bereits nach der 8. Klasse an ein Gymnasium übertreten würden.
Für solche Kinder kommt künftig ein Übertritt nach der 9. Klasse immer noch
infrage – allerdings «verlieren» sie ein Jahr.
Und wie ist
es für die Sekundarlehrer selber? Sie seien bestimmt «nicht ganz glücklich»,
sagt Kaufmann. Schliesslich seien es sehr motivierte Kinder, die an den
Oberstufenzentren fehlen würden. Vielleicht werde dadurch das eine oder andere
Projekt nicht mehr realisierbar sein. Die Sekundarlehrkräfte «werden es aber
schon packen», sagt er.
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