6. Juni 2014

Mangelhafte Übertrittsentscheide

Aufnahmeprüfungen an die Sekudarschule sind verpönt - das Lernen von Prüfungsstoff, der nachher schnellstmöglichst wieder vergessen wird, ist fragwürdig. Doch die Beurteilungen der Lehrer haben auch Nachteile: Über ein Drittel der Berner Schüler, denen die Lehrer die Realschule nahelegen, können nach den Kontrollprüfungen doch die Sekudarschule besuchen.





Problematische Beurteilungen durch Lehrer, Bild: Adrian Moser

Beurteilungen und Tests haben Vor- und Nachteile, Der Bund, 6.6. von Simon Gsteiger


Über ein Drittel der Schüler, denen die Lehrer die Realschule nahelegen, können nach den Kontrollprüfungen doch die Sekundarschule besuchen. Bernhard Pulver (Grüne) hat das Resultat der erstmaligen Durchführung «in etwa so erwartet, wie es herausgekommen ist.» Nur in vier Prozent aller Fälle konnten sich Lehrkräfte und Eltern partout nicht einigen; dies waren die 326 Kinder, welche zur Kontrollprüfung antrabten. Der Erziehungsdirektor war bei der Einführung der Kontrollprüfungen federführend. «Wären es nun zehn Prozent, müssten wir uns überlegen, was das für die Zukunft bedeutet.» Denn eines will Pulver auf keinen Fall: «die Sek-Prüfungen wieder einführen».
Ein solches Modell hatte 2011 die SVP in einem Vorstoss gefordert: «Lehrer wollen Kontrollprüfungen statt Dauerstress!» Sechstklässler, welche in die Sek wollen, sollten allesamt die Prüfung absolvieren. «Das haben wir damals schlecht kommuniziert, deshalb haben wir die Motion dann auch zurückgezogen», sagt die Motionärin Käthi Wälchli (SVP). Die jetzige Variante sei aber tauglich. «Das Resultat hat mich trotzdem überrascht. Ich kann mir nicht erklären, warum die Beurteilung und das Resultat derart auseinandergehen.» Vielleicht seien die Prüfungen einfach zu leicht. «Das wird man beurteilen können, wenn man sieht, wie sich diese Kinder in einem Jahr in der Sek schlagen.»
Prüfungen sind zu «sprachlastig»
«Beurteilungen beruhen auf Wahrnehmungen und sind deshalb zwangsläufig auch subjektiv gefärbt», sagt Grossrat Daniel Steiner-Brütsch (EVP). Mit dem Resultat habe er gerechnet: «Es zeigt, dass Beurteilungsentscheide höchst anspruchsvoll und fehleranfällig sind.» Die Kontrollprüfungen böten die Möglichkeit, Beurteilungsfehler zu korrigieren und die Lehrpersonen zu entlasten. Auch er sieht aber Anpassungsbedarf. Die Prüfungen seien zu sprachlastig, «Buben werden dabei benachteiligt. Es wäre sinnvoll, wenn nebst Mathematik auch NMM, also Natur-Mensch-Mitwelt, geprüft würde.»
Die Vereinigung der Elternräte des Kantons Bern unterstützte Pulvers Vorschlag zurückhaltend. Für Präsidentin Gabriela Heimgartner-Leu birgt das Instrument auch Tücken. «Beurteilungen fallen nun einmal sehr unterschiedlich aus. Die Prüfungen sind für alle dieselben – so können Ungleichheiten der Lehrerbeurteilung neutralisiert werden.» Trotzdem: Die Kontrollprüfungen zeigten eine Momentaufnahme, das werde den Kindern nicht gerecht. «Zudem wird der Druck, der auf den Lehrern und Eltern lastet, auf die Kinder abgewälzt.»


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