31. Mai 2014

Wie viel Glauben erträgt der Schulunterricht?

Rund 500 Kinder werden im Kanton Zürich an jüdisch-orthodoxen Schulen unterrichtet. Deren Lehrplan ist nun in den Fokus der Behörden geraten. Nicht zum ersten Mal.
Quelle: NZZ, 31.5. von Fabian Baumgartner


Der ablehnende Entscheid der Zürcher Bildungsdirektion zum Gesuch für den islamischen Kindergarten «al-Huda» (der rechte Weg) in Volketswil hat Grundsatzcharakter für religiöse Schulen im Kanton. Zu spüren bekommen dies die jüdischen Schulen. Die Bildungsdirektion will die Bewilligungen für die jüdisch-orthodoxen Kindergärten und Schulen nochmals überprüfen. Es sei nicht sicher, ob in diesen Bildungseinrichtungen der Lehrplan tatsächlich erfüllt werde, sagte Martin Wendelspiess, der Chef des Volksschulamts, gegenüber der NZZ. Deswegen hatte das Volksschulamt die Verantwortlichen angeschrieben und ihnen mitgeteilt, man müsse nochmals über die Lehrplanorientierung sprechen.
Keine einheitliche Ausrichtung
Im Extremfall ist auch eine Schliessung einer Schule möglich, wenn die Verantwortlichen nicht bereit sind, die vorgeschriebenen Auflagen umzusetzen. Konkret geht es in Zürich um 3 Kindergärten und 4 Schulen, an denen insgesamt rund 500 Kinder unterrichtet werden. Die Problematik ist vor allem eine Zürich-spezifische, weil die grosse Mehrheit der jüdischen Schüler in der Limmatstadt unterrichtet wird. Im Zentrum der Diskussion steht dabei die Frage, ob an den Schulen die Balance zwischen weltlichen Fächern und religiöser Unterweisung gewährleistet ist. Im Fall des geplanten islamischen Kindergartens kam die Bildungsdirektion zum Schluss, dass dies aufgrund der Verbindungen der Trägerschaft zum Islamischen Zentralrat nicht der Fall sei. Der Vorstand von «al-Huda» sieht durch den negativen Entscheid die Rechtsgleichheit unter den Religionen verletzt. Er will ihn deshalb juristisch überprüfen lassen und allenfalls Rekurs dagegen einreichen.
«Solange der Lehrplan und die gültige Rechtsordnung eingehalten werden, sollen in einem freiheitlichen und liberalen Staat wie der Schweiz alle Schulen möglich sein», sagt Ariel Wyler. Er ist zuständig für religiöse Fragen beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund. Zum konkreten Fall wollte er sich mit Verweis auf das laufende Verfahren jedoch nicht äussern.
Wyler hält auch die erneute Überprüfung der jüdisch-orthodoxen Schulen durch die Bildungsdirektion für richtig. «Verhältnismässige zusätzliche Überprüfungen stehen im Ermessen des Volksschulamtes.» Er geht jedoch davon aus, dass die Schulen die Auflagen erfüllen. Die Bildungsdirektion habe all diese Schulen und Kindergärten auf der Basis der gültigen Rechtsordnung zugelassen.
Die Ausrichtungen der nun in den Fokus geratenen Schulen sind alles andere als einheitlich. «Die Strömungen der Praxis sind mannigfach, die Grenzen fliessend», sagt Wyler. Aber: An allen jüdischen Schulen würden Grundwerte und Regeln wie Speisegesetze sowie Sabbat- und Feiertagsruhe strikt befolgt.
Im Kanton Zürich finden sich diverse Schulen von Glaubensgemeinschaften. Das Volksschulamt entscheidet als Aufsichtsorgan über die Zulassung von Privatschulen im Kanton. Auch anthroposophisch geführte Bildungseinrichtungen gerieten schon in den Fokus der Behörden. Im Volksschulgesetz aus dem Jahre 2005 ist dabei festgehalten, dass «Schüler keinen pädagogischen oder weltanschaulichen Einflüssen ausgesetzt werden, die den Zielen der Volksschule in grundlegender Weise zuwiderlaufen».
Ungenügende Lehrkräfte

Kopfzerbrechen bereiten die jüdisch-orthodoxen Schulen den Behörden nicht erst seit kurzem. Bereits 2010 gerieten vier Schulen in Zürich unter Druck. Das Volksschulamt hatte damals festgestellt, dass die Qualifikation der Lehrkräfte für die nichtreligiösen Fächer ungenügend sei. Diese hatten Schwierigkeiten, geeignete Lehrkräfte mit den notwendigen Diplomen zu finden. Die Behörde gewährte den betroffenen Schulen deshalb eine Übergangsfrist von 7 Jahren. Das Volksschulamt verlangte zudem bauliche Anpassungen in den Schulen. Zwei grosse Schulen mit rund 350 Schülern bezogen in der Folge neue Unterrichtsräume. Es sei in der Zwischenzeit eine Lösung zur verbesserten und rechtsgenügenden Ausbildung der Lehrkräfte gefunden und umgesetzt worden, hält Wyler dazu fest. «Der gegenseitige gute Wille bewirkte viel Positives.»

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