Ein höherer Praxisanteil würde das Studium verlängern, Bild: Colourbox
Junglehrer in der Praxis überfordert, Basler Zeitung, 6.2. von Thomas Dähler
Frisch ausgebildete Lehrpersonen, die fachlich überfordert sind
und Mühe haben, ihren Schülerinnen und Schülern die erforderlichen Fähigkeiten
zu vermitteln: Die neu konzipierte Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule
(PH) ist keine Erfolgsgeschichte. Jetzt verlangen Baselbieter Landräte aus
allen Parteien, dass die Ausbildung der Primarlehrer mehr Gewicht auf die
Praxis legt. Mit einem Postulat fordern Landrat Jürg Wiedemann (Grüne) und
sieben Mitunterzeichnende die Regierung auf, bei den Verhandlungen für den
Leistungsauftrag der Fachhochschule Korrekturen zu verlangen.
Die Politikerinnen
und Politiker verschiedenster politischer Couleur sind sich einig: Die PH
bildet die angehenden Lehrkräfte ungenügend aus. Bereits letzten Herbst hat
eine Mitarbeiterumfrage an der PH Nordwestschweiz ergeben, dass zwei Drittel
der Dozierenden sich gegen mehr Forschungsarbeit wehren. Wiedemanns Vorstoss im
Landrat verlangt jetzt explizit, dass die Theorie- und Forschungsteile bei der
Ausbildung angehender Primarlehrkräfte «drastisch reduziert» werden. «Die
Studierenden müssen während ihres Studiums zu viele Studien durcharbeiten»,
sagt Wiedemann. Als Folge davon fehle beim Abschluss der Praxisbezug.
Dass theoretische
Studien bei der Ausbildung der Lehrkräfte einen hohen Stellenwert erhalten
haben, ist das Ergebnis der Verlagerung der Lehrerausbildung von den Seminaren
weg an die Fachhochschulen. Hochschulen profilieren sich mit Forschungsarbeit.
Die PH weiss um
die Kritik, verweist aber auf den geringen Anteil der Forschung beim
Studiengang. Tatsächlich beträgt im Ausbildungsprogramm für Primarlehrkräfte
der Forschungsanteil nur 4,4 Prozent des gesamten Studiums. Doch im
Studienalltag liegt der Schwerpunkt dennoch nicht auf der Praxis. Auch die
pädagogische und didaktische Ausbildung ist theorielastig. Es wäre auch nicht
einfach, die Zahl der Praktika zu erhöhen: In der Schweiz gibt es zu wenig
Praktikumsplätze, wie diese Woche in der Sendung «10 vor 10» des Schweizer
Fernsehens SRF zu den steigenden Zahlen der Studierenden zu erfahren war.
Am oberen Rand
der Vorgaben
Junge Lehrerinnen
und Lehrer kritisieren ihre Ausbildung allerdings nur hinter vorgehaltener Hand
– sie fürchten sich vor Nachteilen bei Stellenbewerbungen. Wiedemann indes
bestätigt: «Junge Lehrpersonen sagen, sie fühlten sich nicht auf den
Berufsalltag vorbereitet.» Dass die Studierenden Mühe haben, einen
Praktikumsplatz zu finden, erstaunt Wiedemann nicht. Auf der Sekundarstufe I
jedenfalls habe er als Lehrer entsprechende Erfahrungen auch schon machen
müssen: «Ich habe schon mehrmals erlebt, dass auch sehr engagierte
Praktikantinnen oder Praktikanten fachlich Mühe hatten, vor der Schulklasse zu
bestehen.»
Der praktische
Teil der Primarlehrer-Ausbildung lässt sich nicht so leicht erhöhen. Der
Studiengang ist von der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) anerkannt. «Unsere
berufspraktischen Studien bewegen sich bereits am oberen Rand der
EDK-Vorgaben», sagt Christian Irgl, Leiter Marketing und Kommunikation der PH.
«Das Einhalten der Rahmenbedingungen ist nicht nur sinnvoll, sondern sichert
den Absolvierenden auch eine schweizweit gültige Lehrberechtigung.»
Ein grösserer praktischer Ausbildungsteil würde
das Studium verlängern. In Diskussion ist deshalb auch die Variante, das
heutige Bachelor-Studium zu einem Master-Lehrgang auszubauen. Dieser Variante
steht Wiedemann positiv gegenüber. Das würde es ermöglichen, sowohl das
Fachstudium als auch die praktische Ausbildung auszubauen. Auf der
Primarschulstufe werde heute – beispielsweise – während vier Jahren Französisch
unterrichtet. «Das setzt bei den Lehrkräften sehr gute Französischkenntnisse
voraus», sagt Wiedemann. Auch wenn das Studium teurer wird, sei dies
gerechtfertigt: «Ausgebildete Lehrpersonen müssen insbesondere fachlich hoch
qualifiziert sein und auch methodisch-didaktisch ihr Handwerk verstehen.
Ansonsten sind disziplinarische Probleme im Klassenzimmer programmiert.»
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen