19. Februar 2014

Besuch der Sextante wird Chefsache

Nun übernimmt Bildungsdirektor Urs Wüthrich in der Affäre um den Baselbieter Sexualkundeunterricht. Dies nachdem sich Vertreter aus Schule, Psychologie und Politik sehr kritisch zur Präventionsveranstaltung geäussert haben.




Wüthrich will Angelegenheit überprüfen, Bild: bazonline.ch

Besuch der Sextante wird Chefsache, Basler Zeitung, 19.2. von Christian Horisberger


Der Bericht der Klasse 3s zum Pubertätstag an der Sekundarschule Binningen («Der Besuch der Sextante D.») in der BaZ vom 13. Februar zieht immer weitere Kreise. Nachdem sich Vertreter aus Schule, Psychologie und Politik sehr kritisch zur Präventionsveranstaltung geäussert haben, erklärt Bildungsdirektor Urs Wüthrich die Angelegenheit nun zur Chefsache.
«Aufgrund der medialen Verbreitung der Angelegenheit und im Hinblick auf die in Aussicht gestellten parlamentarischen Vorstösse hat der Vorsteher der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion die umfassende Abklärung des Sachverhalts sowie weiterer Aspekte im Zusammenhang mit dem Präventionsprogramm veranlasst.» Dies teilte Caroline Stähelin, Schulleiterin der Sekundarschule Binningen, der BaZ gestern Abend mit. Ihre Schule verzichte aus diesem Grund vorläufig auf jegliche weitere öffentliche Stellungnahme.
Sorgfältige Prüfung
Urs Wüthrich begründet sein Einschreiten mit den parlamentarischen Vorstössen einerseits und Reaktionen von Eltern auf der anderen Seite. «Ich will möglichst präzise über Inhalt und Verlauf im Bild sein, um gut Stellung nehmen zu können.» Den Schülerbericht kommentieren will der Regierungspräsident nicht: Erst seien alle Sachverhalte zu klären, dann bilde er sich eine Meinung. Wobei er durchblicken lässt, dass er von der Authentizität des Berichts nicht restlos überzeugt ist: Die Bebilderung des Artikels in der BaZ mit Teilen aus dem «Sexkoffer», der mit dem Pubertätstag nichts zu tun habe, sei nicht eben ein Beleg für die Glaubwürdigkeit des Berichts, so Wüthrich. «Wir werden sorgfältig hinschauen.»
Einer der angesprochenen Vorstösse dürfte aufs Konto von CVP/EVP-Fraktionschef Felix Keller gehen: In einer Interpellation will er die Regierung anfragen, inwiefern die Eltern über die Tiefe der Aufklärung informiert worden seien und ob das Vorgehen an allen Sekundarschulen Standard sei.
Klassenlehrer sollten steuern
Einen politischen Vorstoss hat Landrat Jürg Wiedemann (Grüne) nicht angekündigt. Hinter den Pubertätstag setzt er aber ein grosses Fragezeichen. «Ein von oben fix vorgegebener Tag ist aus meiner Sicht fragwürdig.» Selbst innerhalb einer Klasse seien die Kinder bezüglich Sexualität und Liebe weit voneinander entfernt. Den einen falle es leicht, übers Thema zu sprechen, anderen sei das hochgradig peinlich. Die Sensibilität für diese Spanne innerhalb einer Klasse hätten die Biologie- und die Klassenlehrer.
Diese müssten also auch steuern, wann und wie tief das Thema behandelt werden soll. Nichts spricht für Wiedemann gegen den Einbezug externer Fachleute. Diese könnten innerhalb des Biologie-Unterrichts Blöcke anbieten, unter Umständen auch ohne den Fachlehrer. Als sinnvoll erachtet der Landrat zudem eine Aufteilung in Gruppen – je nach Reife der Schulkinder.
Schulleitung um Ruf besorgt
Der Klassenlehrer der 3s habe den Kindern für ihr Schreiben auf die Finger geklopft, wie Schüler berichten, zudem sei die Schulleitung nach dem Erscheinen des Berichts in der BaZ im Klassenzimmer einmarschiert. In einem Brief an die Eltern schreibt die Schulleitung dazu: «Wir haben die Situation mit der 3s besprochen. Sie waren sich der Tragweite ihrer Berichterstattung nicht bewusst.» Dafür stellt Jürg Wiedemann der Schule ein schlechtes Zeugnis aus. «Einerseits bringt man den Kindern bei, eigenständig zu denken, zur eigenen Position zu stehen und ihre Meinung zu äussern. Richtet sich die Kritik aber gegen die Schulleitung, dann klopft man den Schülern auf die Finger.» Für Wiedemann inakzeptabel. «Offensichtlich gewichtet die Schulleitung ihr eigenes Ansehen und den Ruf der Schule höher als die persönliche Entwicklung der Kinder», tadelt der Allschwiler Lehrer seine Binninger Berufskollegen.
Er hätte von der Schulleitung erwartet, dass sie ihre Situation gegenüber den Schülern aufzeigt und dabei nicht verhehlt, dass sie darüber nicht sehr glücklich ist. Gleichzeitig hätten die Schüler ein Lob dafür verdient, dass sie eine klare Position bezogen und sich getraut haben, mit ihrem Anliegen an die Öffentlichkeit zu gehen.

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