10. Oktober 2013

Der therapeutische Gürtel

Der Lehrer Alain Pichard stellt fest, dass die Angebote des therapeutischen Überbaus ineffizient seien und den Anbietern mehr nützten als den betroffenen Kindern und Jugendlichen.
In den 90-er Jahren hatte ich es als Oberstufenklassenlehrer mit etwa sechs Fachstellen oder Stützangeboten zu tun. Mittlerweile ist die Zahl der betreuenden Fachstellen, Stützangebote und Präventionsstellen auf 36 gestiegen. Ein Heer von Case Managern, Psychotherapeuten, Beraterinnen, Präventionisten, Sozialarbeitern schafft sich immer neue Fälle. Viele Kinder werden pathologisiert, weil es an den Schulen an Wissen fehlt. So werden bereits Kindergärtler zu einer Abklärung angemeldet, weil sie nicht eine Dreiviertelstunde ruhig im Kreis sitzen konnten. Man hat also ganz klare Vorstellungen, dass ein Kindergartenkind das können muss – aber das ist einfach nicht entwicklungsgerecht. Mit dem Integrationsgesetz wurden die Schulen ungefragt geradezu mit einer Lawine von betreuenden Angeboten überschüttet. Wenn das Kind nicht rechnen kann, lautet der Förderplan meistens: Es muss mehr Rechnen üben. Damit das nicht so banal klingt, braucht es  eine Sozialpädagogin, die das Kind betreut, eine Schulpsychologin, die sich dem Grundproblem widmet, und eine Heilpädagogin, welche die Förderempfehlungen in Förderpläne umsetzt. Das Ganze nennt man dann Förderdiagnostik.
Quelle: Alain Pichard, Auszüge aus: Die Weisheit der Praxis

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