15. September 2013

Freysinger erlaubt Jagdferien

Zurück zu den traditionellen Werten! Weg mit der Kuschelpädagogik! Ruhe und Ordnung im Klassenzimmer!» In der Westschweiz werden die Leitmotive der SVP im Schulbereich von Oskar Freysinger an höchster Stelle vertreten. Freysinger übernahm im vergangenen Frühling als am besten gewählter Walliser Staatsrat die Bildungsdirektion. Der unberechenbare Tribun zeigte sich anfänglich seiner Verantwortung bewusst. Er gab sich konsensfähig, ja fast bescheiden und versprach, wie erwartet, Ruhe und Ordnung.
Doch bereits seine ersten Vorschläge sorgten für Nervosität. Es kam die Aufforderung an die Lehrer, Kinder von Sans-Papiers zu denunzieren (er krebste später zurück). Dann wollte er weniger Integration in Schulklassen für behinderte Kinder. Und schliesslich versetzte er den langjährigen Dienstchef für Bildung aufgrund «unterschiedlicher Auffassungen». Unterschiedliche Auffassungen? Das dürfte gegenüber Freysinger für die meisten Walliser Lehrer gelten. Doch wagt es kaum mehr jemand, seine Meinung offen zu sagen. Der Bildungsdirektor hat damit eines seiner Ziele erreicht: Es herrscht Ruhe.
Doch wie steht es mit Ordnung? Vor wenigen Tagen änderte der Staatsrat das Reglement der Pädagogischen Hochschule Wallis. Neu heisst es, wer dort definitiv durchfalle, könne unter Umständen trotzdem unterrichten. Was also für alle Kinder gilt - es müssen Prüfungen bestanden werden, um weiterzukommen - soll für ihre künftigen Lehrer nicht mehr unbedingt Pflicht sein? Die etablierten Lehrkräfte verstehen die Welt nicht mehr, aber sie schweigen weiterhin.
Oskar Freysinger hatte auch angekündigt, es brauche mehr Männer und vor allem Vollzeit arbeitende Männer in den Schulen. Doch siehe da, jetzt will Freysinger den Lehrern plötzlich erlauben, bis zu fünf Tage im Jahr unbezahlt freizunehmen, um zum Beispiel - so steht es schwarz auf weiss in einem von ihm unterzeichneten Brief - «auf die Jagd zu gehen».
Sein gezähmtes Image als Staatsrat hat der Nationalrat und SVP-Vizepräsident nicht lange pflegen können. Er ballert mit Vorschlägen und Massnahmen nur so um sich, schiesst auf die Reformen von Harmos, nimmt die Teilzeitarbeit ins Visier und die Jäger in Schutz. Er mag es eben selbst auch wild. Fragt sich nur, wie lange es im Wallis noch ruhig bleibt.
Quelle: NZZaS, 15.9. von Ron Hochuli

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