16. August 2013

Überheblich und bevormundend

Der Entscheid eines Basler Gerichts zum Sexualkundeunterricht löst Reaktionen aus. Mischa Hauswirth findet es einen Entscheid gegen die Eltern.
Der Staat darf sich weiter intensiv um Sexualkunde kümmern. Das ist das Fazit eines Entscheids, den das Appellationsgericht Basel-Stadt gestern gefällt hat, als es die Beschwerde von Eltern abwies, die sich gegen den offensiven Sexualunterricht ab dem Kindergarten wehrten. Vordergründig stützen die Richter den progressivsten Sexualkundeunterricht der Schweiz – in Wahrheit wird damit die staatliche Bevormundung der Eltern und Erziehungsberechtigten ausgedehnt. Pierre Felder, Leiter Ressort Schulen Basel-Stadt, führt als Begründung an, dass das neue Modell gut sei, etwa wenn Kinder auf dem Pausenhof ein Präservativ finden. Dann könnten die Lehrer richtig reagieren und Fragen beantworten, so Felder.
Erstens: Kinder tuscheln wohl eher untereinander darüber oder erzählen es daheim und fragen um Rat, als zum Lehrer zu rennen. Und zweitens: Ich hoffe doch sehr, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer auch ohne Spezial-Aufklärungs­programm aus dem Erziehungsdepartement eine altersgerechte und pädagogisch vertretbare Antwort zu einem Präservativ zu geben weiss.
Vielmehr erinnert das neue All-­inclusive-Sexunterrichtsmodul vom Rheinknie an das, was ein altgedienter Lehrer mir gegenüber so formulierte: «Wir werden immer mehr zu ausführenden Robotern degradiert, denen hochgezüchtete Schreibtisch-Pädagogen vorschreiben, was sie denken und machen sollen.»

Wer gestern den Argumenten der Sexbox-Befürworter zugehört hat, fragte sich unweigerlich: Wie habe ich meine eigene Aufklärung in den 70er- und 80er-Jahren überlebt? Damals war der berühmte Unterschied zwischen Mann und Frau Teil des Biologieunterrichts. So sehr sich unsere Lehrerin in der fünften Klasse Mühe gab: Wir kannten den Trick längst, wie die Babys in den Bauch kamen. Der Austausch von für die menschliche Fortpflanzung nötigen Informationen funktionierte bestens ausserhalb des Klassenzimmers. Auch der Satz «Geh nie mit einem Fremden mit und steig in kein Auto» war für uns omnipräsent, ohne dass das ein einziges Mal in der Schule Thema war. Und dass mein Geschlechtsteil mir gehört und es niemand anfassen darf, haben wir auch nicht in der Schule gelernt. Das sind Basics, die von einer Generation zur nächsten weitergereicht werden. Dazu braucht es verantwortungsbewusste Eltern und keinen Staat. Die Schule soll im Biologie- oder im Deutschunterricht ruhig über Sex, Geschlechtskrankheiten, sexuelle Integrität und Respekt reden, aber die Einstellung, dass Lehrer es besser können als Eltern, ist überheblich und letztlich familienfeindlich. In Wahrheit wird die staatliche Bevormundung der Eltern ausgedehnt.
Quelle: Basler Zeitung, 15.8. von Mischa Hauswirth

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