Eltern sind anspruchsvolle und gut informierte Klienten geworden, Bild: NZZaS
Die Kommunikation und die Auseinandersetzung mit Eltern machten heute
die
Hauptbelastung vieler Lehrer aus, schreibt die amerikanische Soziologin und
Harvard-Professorin Sara Lawrence-Lightfoot in einer 2003 veröffentlichten
Studie. Und: Selbst Lehrer, die ihren Beruf lieben, beschreiben den Umgang mit
Eltern oft als den anspruchsvollsten Teil ihrer Arbeit. Viel fordernder als
früher ist der Umgang mit Eltern heute vor allem darum geworden, weil sich das
gesellschaftliche Umfeld radikal verändert hat. Lehrer haben nicht mehr den
gleichen Status als Autorität wie zu Zeiten, als sie im gleichen Zug wie der
Pfarrer und der Doktor genannt wurden. Heute meinen Schüler - noch öfters aber
ihre Eltern -, sie könnten in der Schule den Ton angeben. Was heute zu wenig an
Autoritätszuschreibung ist, war noch vor hundert Jahren oft zu viel: Leisteten
die Kinder damals frechen Widerstand, hatten Lehrer das Recht, Härte zu
demonstrieren. Lehrerinnen und Lehrer waren viel mehr Dompteure als Erzieher.
Sie verteilten Strafen, die heute wie Anekdoten aus einer Folterkammer klingen
und für die jeder Lehrer heute subito ins Kittchen wandern würde. Glauben wir
den Schilderungen der Pädagogik-Geschichte, waren Schläge mit dem Weidenzweig
in die offene Handfläche oder auf den nackten Hintern noch 1920 das Normalste
der Welt. Schüler an den Ohren, an den Haaren ziehen: im Schulalltag üblich.
Manche Lehrer liessen ihre Schüler auch mit nackten Beinen auf getrockneten
Erbsen oder Holzscheiten knien. Kinder, von denen Lehrer glaubten, sie seien
ungezogen oder faul, erhielten die Lehrerhand verpasst. Und was in der Regel
folgte, wissen alle über 60: Von den Eltern gab's gleich nochmals Prügel. Früher stand fest: Der Lehrer hat immer recht!
Quelle: NZZaS, 21.7. von Tobias Ochsenbein
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