21. Juli 2013

Weidenzweige in der "guten, alten Zeit"

Tobias Ochsenbein blickt zurück in die Zeiten, in denen die Autorität der Lehrer noch auf Gewaltanwendung basierte. Heute mischen sich die Eltern viel stärker in den Schulalltag ein.






Eltern sind anspruchsvolle und gut informierte Klienten geworden, Bild: NZZaS



Die Kommunikation und die Auseinandersetzung mit Eltern machten heute 
die Hauptbelastung vieler Lehrer aus, schreibt die amerikanische Soziologin und Harvard-Professorin Sara Lawrence-Lightfoot in einer 2003 veröffentlichten Studie. Und: Selbst Lehrer, die ihren Beruf lieben, beschreiben den Umgang mit Eltern oft als den anspruchsvollsten Teil ihrer Arbeit. Viel fordernder als früher ist der Umgang mit Eltern heute vor allem darum geworden, weil sich das gesellschaftliche Umfeld radikal verändert hat. Lehrer haben nicht mehr den gleichen Status als Autorität wie zu Zeiten, als sie im gleichen Zug wie der Pfarrer und der Doktor genannt wurden. Heute meinen Schüler - noch öfters aber ihre Eltern -, sie könnten in der Schule den Ton angeben. Was heute zu wenig an Autoritätszuschreibung ist, war noch vor hundert Jahren oft zu viel: Leisteten die Kinder damals frechen Widerstand, hatten Lehrer das Recht, Härte zu demonstrieren. Lehrerinnen und Lehrer waren viel mehr Dompteure als Erzieher. Sie verteilten Strafen, die heute wie Anekdoten aus einer Folterkammer klingen und für die jeder Lehrer heute subito ins Kittchen wandern würde. Glauben wir den Schilderungen der Pädagogik-Geschichte, waren Schläge mit dem Weidenzweig in die offene Handfläche oder auf den nackten Hintern noch 1920 das Normalste der Welt. Schüler an den Ohren, an den Haaren ziehen: im Schulalltag üblich. Manche Lehrer liessen ihre Schüler auch mit nackten Beinen auf getrockneten Erbsen oder Holzscheiten knien. Kinder, von denen Lehrer glaubten, sie seien ungezogen oder faul, erhielten die Lehrerhand verpasst. Und was in der Regel folgte, wissen alle über 60: Von den Eltern gab's gleich nochmals Prügel. Früher stand fest: Der Lehrer hat immer recht!
Quelle: NZZaS, 21.7. von Tobias Ochsenbein

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