12. Juli 2013

"Abgehobene Weltfremdheit"

Kommentar von Franziska Laur, Basler Zeitung, 12.7. zur Lohnforderung des LCH.
Die Forderung des schweizerischen Lehrerverbandes nach einer zwanzigprozentigen Lohnerhöhung für Lehrpersonen zeigt nur eines: eine abgehobene Weltfremdheit. Kernproblem ist, dass der Verband völlig an der Basis vorbei zu politisieren scheint –, und nicht die Entschädigung. Diese sollte genügen, auch wenn der Einsatz unbestrittenermassen gross ist. Kinder und Jugendliche bedeuten Leben und Unruhe. Es ist eine anarchische Kleinwelt, in der das Chaos vorherrscht. Das macht diesen Beruf auch faszinierend. Da geht es um Brachland, um junge Menschen, die geformt und gebildet sein wollen, die sich danach sehnen, auf eine Lehrperson zu treffen, die sie mit ihrer Begeisterung ansteckt und mitreisst, die ihnen Leader ist und Vorbild.
Kinder und Jugendliche haben gute Sensoren. Sie wollen keine Jammerlappen, die sich in endlosen Forderungen verlieren, sie wollen Männer und Frauen, die sich nicht fürchten, sie ernst zu nehmen, ihnen die Wahrheit zu sagen und die sich getrauen, Fehler zu machen und einzugestehen. Sie wollen Vorbilder, die Grenzen setzen und Grenzen sprengen können. Sie wollen keine Sozialromantiker, sondern Personen, die sich nicht scheuen, auch mal unbequem und politisch unkorrekt zu sein. Da kann es sogar durchaus sein, dass gestandene Realschüler weinen, weil ihr Lehrer gekündigt hat. So geschehen bei Alain Pichard, der einstige Linke aus Basel, der auch mal zu einem Schüler sagt: «Du bisch sone fuule Siech.»
Mittlerweile ist Pichard für Grüne und SP zum roten Tuch geworden. Gleichzeitig verliert jedoch die Bildungspolitik der alten Tage immer mehr an Daseinsberechtigung. So etwa eine Politik, die Kindern der Chancengleichheit zuliebe zu einer intellektuellen Laufbahn verhelfen soll, obwohl sie sich nicht dafür eignen. Oder eine Politik, die Lehrern so wenig Rechte einräumt, dass sie nach einem Vergehen eines Schülers einen monatelangen Instanzenweg auf sich nehmen müssen, um Sanktionen aussprechen zu können.
Immer häufiger schlägt das Herz von Lehrern für Bildungspolitiker aus dem bürgerlichen Lager – wenn auch noch insgeheim. Viele von ihnen haben das Gefühl, dass diese ihre täglichen Sorgen und Nöte besser verstehen.
Unseren Kindern ist zu wünschen, dass vermehrt Leute mit Bodenhaftung die Bildungspolitik bestimmen und Lehrer mit Begeisterung in den Schulstuben sitzen. Und den Lehrern sei zu wünschen, dass sich die Bildungspolitiker für ihre Arbeit an der Front mehr interessieren als für ihre eigene Wiederwahl oder das Sammeln von Labels.

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