Peter Lienhard, hat die integrative Förderung
in den vergangenen Jahren die Begabtenförderung verändert?
Nein, in den meisten Gemeinden nicht. Der
Druck, sich als Heilpädagogin oder als Heilpädagoge in der integrativen
Förderung vor allem den Schwächeren zu widmen, hat meistens Abstriche bei der
Begabtenförderung im Klassenzimmer zur Folge. Entsprechend führen viele
Gemeinden ihre separaten Programme zur Förderung der schulisch Starken weiter.
Wo liegen denn die Schwächen solcher
Pull-out-Programme?
Vorab: Diese Angebote haben auch ihr Gutes,
denn sie holen die Schüler und Schülerinnen bei ihren Stärken ab. Wenn dies im
übrigen Unterricht aber kaum aufgenommen wird, bleibt die Wirkung des Programms
begrenzt. Zudem sind es mehrheitlich Buben aus der Mittelschicht, die davon
profitieren. Knaben benehmen sich schnell auffällig, wenn der Unterricht sie
nicht mehr genügend fordert. Mädchen hingegen halten sich in derselben
Situation zurück; sie wollen nicht ausgestellt werden und in der Klasse
bleiben.
Wie geeignet sind die Kriterien, die für die
Zuweisung zu solchen Angeboten angewandt werden?
Oftmals kommt dem IQ als
Entscheidungsgrundlage eine viel zu wichtige Rolle zu; damit allein lässt sich
der Förderbedarf eines Kindes noch nicht bestimmen. Zudem ist die Zuweisung zur
Begabtenförderung sehr von der Wachsamkeit der Lehrpersonen und der Eltern
abhängig; erkennen sie die individuellen Stärken der Kinder nicht, werden diese
auch nicht gezielt gefördert.
Für die Begabtenförderung im Klassenzimmer
reichen aber, wie erwähnt, die Ressourcen oft nicht aus.
Während die Ressourcen für die integrative
Förderung vom Kanton Zürich vorgegeben sind, sind die Gemeinden frei,
zusätzlich Geld für die Begabtenförderung einzusetzen. Würde dieses dazu
verwendet, das Pensum der Heilpädagogin im Schulzimmer zu erhöhen, könnte die
Begabtenförderung auch vermehrt in den Unterricht oder in klassenübergreifende
Projekte einfliessen.
Wie gestaltet sich die Begabungs- und
Begabtenförderung idealerweise?
Wir sollten die Stärken aller Kinder fördern.
Kernpunkt ist die Entwicklung des Unterrichts im Klassenzimmer. Noch immer
kommt es vor, dass kaum auf individuelle Unterschiede beim Lernstand Rücksicht
genommen wird: Alle arbeiten zur selben Zeit auf dieselbe Weise am selben
Thema. Deshalb befürworte ich den altersdurchmischten Unterricht; so entsteht
die Idee, dass alle gleich weit sein sollten, gar nicht erst.
Interview: Ümit Yoker, NZZ, 24.6.
Herr Pasulke und seine Fans, NZZ, 24.6. von Ümit Yoker
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