25. Juni 2013

Begabtenförderung gehörte auch in die Schule

Während wir unter Integration vor allem den Einbezug von schulisch schwachen Kindern verstehen, gehört eigentlich auch die Begabtenförderung dazu. Doch oft reichen die Ressourcen bekanntlich nicht einmal für ersteres. Deshalb geschieht die Förderung von besonders begabten Schüler meistens ausserhalb der Schule. Der Sonderpädagoge Peter Lienhard plädiert für mehr Ressourcen im Klassenzimmer.


Peter Lienhard, hat die integrative Förderung in den vergangenen Jahren die Begabtenförderung verändert?
Nein, in den meisten Gemeinden nicht. Der Druck, sich als Heilpädagogin oder als Heilpädagoge in der integrativen Förderung vor allem den Schwächeren zu widmen, hat meistens Abstriche bei der Begabtenförderung im Klassenzimmer zur Folge. Entsprechend führen viele Gemeinden ihre separaten Programme zur Förderung der schulisch Starken weiter.
Wo liegen denn die Schwächen solcher Pull-out-Programme?
Vorab: Diese Angebote haben auch ihr Gutes, denn sie holen die Schüler und Schülerinnen bei ihren Stärken ab. Wenn dies im übrigen Unterricht aber kaum aufgenommen wird, bleibt die Wirkung des Programms begrenzt. Zudem sind es mehrheitlich Buben aus der Mittelschicht, die davon profitieren. Knaben benehmen sich schnell auffällig, wenn der Unterricht sie nicht mehr genügend fordert. Mädchen hingegen halten sich in derselben Situation zurück; sie wollen nicht ausgestellt werden und in der Klasse bleiben.
Wie geeignet sind die Kriterien, die für die Zuweisung zu solchen Angeboten angewandt werden?
Oftmals kommt dem IQ als Entscheidungsgrundlage eine viel zu wichtige Rolle zu; damit allein lässt sich der Förderbedarf eines Kindes noch nicht bestimmen. Zudem ist die Zuweisung zur Begabtenförderung sehr von der Wachsamkeit der Lehrpersonen und der Eltern abhängig; erkennen sie die individuellen Stärken der Kinder nicht, werden diese auch nicht gezielt gefördert.
Für die Begabtenförderung im Klassenzimmer reichen aber, wie erwähnt, die Ressourcen oft nicht aus.
Während die Ressourcen für die integrative Förderung vom Kanton Zürich vorgegeben sind, sind die Gemeinden frei, zusätzlich Geld für die Begabtenförderung einzusetzen. Würde dieses dazu verwendet, das Pensum der Heilpädagogin im Schulzimmer zu erhöhen, könnte die Begabtenförderung auch vermehrt in den Unterricht oder in klassenübergreifende Projekte einfliessen.
Wie gestaltet sich die Begabungs- und Begabtenförderung idealerweise?

Wir sollten die Stärken aller Kinder fördern. Kernpunkt ist die Entwicklung des Unterrichts im Klassenzimmer. Noch immer kommt es vor, dass kaum auf individuelle Unterschiede beim Lernstand Rücksicht genommen wird: Alle arbeiten zur selben Zeit auf dieselbe Weise am selben Thema. Deshalb befürworte ich den altersdurchmischten Unterricht; so entsteht die Idee, dass alle gleich weit sein sollten, gar nicht erst.
Interview: Ümit Yoker, NZZ, 24.6.
Herr Pasulke und seine Fans, NZZ, 24.6. von Ümit Yoker

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen