24. April 2013

Gendergerecht formulieren

Eigentlich habe ich gedacht, das Thema sei "gegessen". Ich bin nach jahrelangem Hin und Her zwischen Schülerinnen und Schülern, LehrerInnen und Studierenden wieder zurückgekehrt zu den Formen Schüler, Lehrer und Studenten. Und ich will auch gar nicht vertiefen, dass das Deutsche eben unterscheidet zwischen dem grammatikalischen und dem natürlichen Geschlecht von Lebewesen und dass entsprechende Gender-Spitzfindigkeiten wenn nicht verboten, so zumindest haltlos sind. Dazu ist längst schon alles gesagt. Doch jetzt lässt mich eine Publikation des Bundes aufhorchen. Der "Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen" will den Frauen in der Gesellschaft auch sprachlich ein Gesicht geben. Stopp: Haben wir nicht eben festgestellt, dass die Frauen an den Schulen massiv übervertreten sind. Im Lehrerzimmer und in Gymiklassen. Wie redlich kann also der Versuch sein, etwas sichtbar zu machen, das längst offensichtlich ist? Umso mehr, als damit die Sprache für den Leser und den Schreiber zum Folterinstrument missbraucht wird. Beispiel gefällig? Nicht geschlechtergerecht sind gemäss des Leitfadens "Texte mit Generalklauseln – meistens in einer Fussnote am Anfang –, die festhalten, dass im Folgenden zwar nur die männliche Form benutzt wird, aber beide Geschlechter gemeint sind. (Aus Gründen der Lesbarkeit werden in diesem Text nur die männlichen Formen verwendet. Frauen sind selbstverständlich mitgemeint.)" Solche Lösungen seien "Scheinlösungen", da Männer und Frauen damit sprachlich nicht gleich behandelt würden. Bei fortschreitender Lektüre würden die Frauen zunehmend in Vergessenheit geraten, und dann sei nur noch die männliche Form präsent.
Die namentlich nicht erwähnten Verfasser schlagen Paarformen (Studentinnen und Studenten), geschlechtsneutrale Formen (Stimmberechtigte) oder Passivformen vor. Ausserdem werden 15 (!) Faustregeln zum geschlechtergerechten Schreiben aufgelistet. Dort stehen dann Dinge wie:
statt: Alle Teilnehmenden haben die Prüfung bestanden.
besser:  Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die Prüfung bestanden.
oder
statt: Alleinerziehende sind oft auf Sozialhilfe angewiesen.
besser: Alleinerziehende Mütter und Väter sind oft auf Sozialhilfe angewiesen.
Unklar ist, wie weit der 191-seitige Leitfaden auch in der Schule und in den Lehrmitteln angewandt wird. Wo die Frauen sicher nicht benachteiligt werden, ist im Gebrauch von Mobiltelefonen. Deshalb wäre interessant zu wissen, wie stark sie selbst die Gender-Regeln in der modernen Kommunikation einhalten, z.B. in SMS. Kann man Männer verpflichten, unsinnige Regeln einzuhalten, welche selbst von Frauen nicht beachtet werden?
Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen, Schweizerische Bundeskanzlei

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