22. Februar 2013

Winterthur zieht Notbremse

Die Stadt Winterthur zieht bei der Zuweisung von Schulkindern in Sonderschulen die Notbremse. Wie die Regionalzeitung «Landbote» am Donnerstag berichtet hat, ist seit Januar eine neue Regelung in Kraft, welche die Zahl der Zuweisungen senken und die Kosten dämpfen soll. Viele Kinder seien in den vergangenen Jahren vorschnell zu Sonderschülern gemacht worden, sagte der Winterthurer Schulvorsteher Stefan Fritschi (fdp.) gegenüber der Zeitung. Auch sei vonseiten der Eltern und Lehrer zum Teil grosser Druck auf den schulpsychologischen Dienst ausgeübt worden. Rund 179 Winterthurer Kinder besuchen derzeit eine externe Sonderschule. Vor zehn Jahren waren es noch 84. Im gleichen Zeitraum stiegen die Kosten von 2,2 auf 13,7 Millionen Franken. Von den neuen Massnahmen erhofft sich das Schuldepartement die Senkung der Anzahl Sonderschüler auf den Stand von 2005 und eine Einfrierung der Kosten auf heutigem Niveau.
Um die Zahl der Zuweisungen an Sonderschulen zu senken, hat Winterthur das Finanzierungsmodell geändert. Seit Januar erhalten die städtischen Schulen die Kosten für eine externe Sonderschulung zurück, wenn ein Kind in die Regelklasse integriert wird. Das Geld soll dann dazu verwendet werden, um Lehrerinnen und Lehrer im Bereich der integrativen Förderung zu unterstützen. Gleichzeitig kommt dem schulpsychologischen Dienst eine neue Rolle zu. Damit auffällige Kinder nicht vorschnell zur Abklärung geschickt werden, muss zuerst schulintern nach adäquaten Unterstützungsmassnahmen und Lösungen gesucht werden.
Mit dem vorgenommenen Paradigmenwechsel überholt Winterthur den Kanton, der das Problem im Bereich Sonderschulung ebenfalls erkannt hat. Bereits am nächsten Montag befasst sich der Kantonsrat mit verschiedenen Anpassungen des Volksschulgesetzes und weiteren Massnahmen, welche die steigenden Fallzahlen und Kosten in der Sonderschulung senken sollen. 3600 Kinder besuchten kantonsweit im Jahr 2010 eine externe Sonderschule. Das entspricht laut einer Mitteilung der kantonsrätlichen Kommission für Bildung und Kultur einer Zunahme von 61 Prozent innert 10 Jahren. Mittlerweile betragen die Kosten jährlich rund 300 Millionen Franken. Von der beantragten Gesetzesrevision erhofft sich die Kommission eine Stärkung der in der Volksschule integrierten Sonderschulung. Wie in Winterthur sollen die finanziellen Mittel für die Unterstützung der Sonderschüler künftig direkt den Schulgemeinden bezahlt werden, damit die Anreize für eine integrative Betreuung steigen.
Weiter geplant ist im Kanton Zürich eine eigentliche Versorgungsplanung. Sie erlaubt es künftig, einer Sonderschuleinrichtung die Bewilligung zu verweigern, wenn sie für die kantonale Versorgung nicht notwendig ist. Geplant ist weiter ein Gemeinde-Monitoring sowie ein standardisiertes Abklärungsverfahren. Damit, schreibt die Bildungskommission, solle der «besorgniserregenden und nur zum Teil erklärbaren Zunahme» von Diagnosen geistiger Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten entgegengewirkt werden.

Quelle: NZZ, 22.2.von Christina Neuhaus

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