31. August 2012

Nachgefragt: Remo Largo

Mit der Forderung "Hausaufgaben abschaffen" hat Remo Largo z.T. gereizte Reaktionen provoziert. Wie ist seine Forderung zu verstehen?

UK: Ist Ihr Nein zu Hausaufgaben generell oder müsste man da differenzieren zwischen Primar- und Sekundarstufe?
RL: Ja, kann man. Nur, das Problem ist ein allgemeines. Hausaufgaben sind uns Erwachsenen als eigene Schulerfahrung eingebrannt. Sie müssen einfach sein. Bringen sie aber auch etwas? Ich kenne keine Studie, die dies überzeugend nachgewiesen hätte. Die Nachteile jedoch sind offensichtlich.
UK: Es gibt Lehrer, die schätzen Hausaufgaben, weil sie individuelles Arbeiten ermöglichen.  Was im Klassenzimmer oft schwierig ist, ist zu Hause einfacher: Lernen im eigenen Tempo, eigene Lösungen kreieren, Einsatz von digitalen Hilfsmitteln etc.. 
RL: Diese Haltung bedeutet: Individuelles Arbeiten ist in der Schule nicht möglich, sowie digitale Hilfsmittel werden in der Schule nicht gebraucht und die Schüler darin nicht unterrichtet. Sie stellt den Lehrern, die so argumentieren, ein schlechtes Zeugnis aus. Ich bin der Ansicht, es ist die Aufgabe der Schule, die Kinder mit den digitalen Hilfsmitteln vertraut zu machten. Jeder Schüler sollte am Ende der Schulzeit mit dem 10-Fingersystem und den häufig verwendeten Computerprogrammen vertraut sein. Die relevante Frage lautet also: Wie kompetent sind diese Lehrer bezüglich individualisiertem Unterricht und Benutzung der Medien?
UK: Gegen die Hausaufgaben spricht, dass sie dafür sorgen, dass die Kluft zwischen bildungsnahen und –fernen Kindern wächst. Doch verhindert ein Verbot von Hausaufgaben wirklich, dass bildungsnahe Eltern  ihren Sprösslingen bessere Chancen auf dem Bildungsmarkt schaffen können?
RL: Hausaufgaben bestehen vor allem auch darin, dass zuhause für Prüfungen auswendig gelernt wird. Die Chancenungerechtigkeit entsteht, weil ein Teil der Schüler darin massiv von ihren Eltern unterstützt wird, ihre Noten daher besser ausfallen, während mindestens 30 % der Schüler diese Hilfe nicht erhalten und deshalb schlechtere Noten erhalten. Kommt hinzu: Die Schule betreibt immer häufiger, vor allem in der Oberstufe, ein eigentliches Outsourcing: Vorträge und Projektarbeiten werden immer mehr nach Hause delegiert. Wer hilft oder macht sie häufig gleich selber: die Eltern.

Largo: Lehrer müssen lernen, ihren Unterricht zu individualisieren, Bild: Migrosmagazin

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