Hohepriester der Mehrsprachigkeit
Die Ausführungen des Autors – obwohl in Italienisch verfasst – verlangen nach einer Richtigstellung. Es stimmt nicht, dass junge Kinder besser lernen als Jugendliche oder Erwachsene. Der Vergleich eines Kinderhirns mit einem Schwamm ist für das schulische Fremdsprachenlernen so abgedroschen wie falsch. Es stimmt auch nicht, dass zwei Fremdsprachenlektionen pro Woche etwas bringen würden. Es handelt sich hier um reines Wunschdenken und Schönfärberei. Noch immer schafft es Graubünden beispielsweise nicht, auf den Kenntnissen der Primarschule an der Oberstufe aufzubauen. Dort beginnen alle Kinder bekanntlich wieder von vorne. Nach etlichen Jahren Primarschulitalienisch ist der Leistungsausweis unserer Hohepriester der Mehrsprachigkeit doch sehr bescheiden.
Der Autor sagt sinngemäss, dass die Kinder durch Fremdsprachen gar nicht überfordert werden können. Dies ist, mit Verlaub, blanker Unsinn. In der Schulrealität wird die kindliche Unvoreingenommenheit, Natürlichkeit und Freude beim Italienisch lernen schon früh ersetzt durch Vokabellernen unter Prüfungsdruck. Zur Rechtfertigung der Vorrangstellung von Italienisch versteigt sich der Autor in der grotesken Aussage, dass Englisch – im Vergleich zum Italienischen – eine einfache Sprache sei. Kommentar überflüssig.
In einem Punkt gebe ich dem Autor allerdings Recht: Die Landessprachen geraten zunehmend unter Druck. Die Eltern und die gefrusteten Schüler wollen Französisch und Italienisch vermehrt abwählen dürfen. Doch dies haben sich die Promotoren mit ihrer Gier nach einem möglichst frühen Beginn selbst zuzuschreiben. Denn trotz neuer Lehrmittel und ständiger Lehrerkurse ist die Bilanz des Frühitalienischen ernüchternd. Und zur Erinnerung: Im August beginnt mit Frühenglisch die zweite Fremdsprache für unsere Primarschüler.
Mehrsprachigkeit als populärwissenschaftlicher Kitsch, Bild: uni-hamburg.de
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