28. März 2012

Was ist los mit unserer Schule?

Der ehemalige Präsident der SP Schweiz, Helmut Hubacher, macht sich wie viele andere auch Gedanken über die Schule von heute. Seine Kolumne stammt aus der Basler Zeitung des 24.3.
Helmut Hubacher, Bild: swissinfo.ch
Bildung, das gehört zum Allgemeinwissen, ist unser wichtigster Rohstoff. Logisch, dass die Schule einen hohen Stellenwert hat. Motto: «Schüler werden ist nicht schwer, Lehrer sein dagegen sehr.»
Es gibt diese Leute noch, die Lehrer für Ferientechniker mit einem Schoggijob halten. Als Politiker kenne ich das. Politik sei ein Dreckgeschäft, höre ich. Und: Politiker seien korrupt. Da wirst du automatisch zum Fatalisten. Lass die Hunde bellen.
Lehrer erleben unsere konfliktreiche Gesellschaft täglich im Schulzimmer. Ihnen werden die Kinder dieser Gesellschaft anvertraut. Und deren Eltern! Die sind oft das grössere Problem. Lehrer zu sein ist kein Schleck (mehr). Gemeint sind auch immer die Lehrerinnen. Sie stellen sowieso die Mehrheit dar.
Ich habe lange gezögert, das Thema Schule zu wählen. Ich bin ja weder Pädagoge noch Schulfachmann. Aber ich rede mit den Leuten, frage, höre zu, notiere. In den letzten anderthalb Jahren sicher mit etwa einem Dutzend Schullehrer. Aus Baselland und der Stadt.
Was mir aufgefallen ist, macht mich betroffen. Es sind engagierte Lehrer, denen irgendwie die Freude am Beruf abhanden gekommen ist. Zu sagen, sie seien verbittert, träfe daneben. Mich dünken die meisten eher geistig ermüdet. Von einem seit Jahren schon dauernden Reformprozess, der zum Projektstau führte. Die Konstante sei die permanente Unruhe, wie es eine Lehrerin formulierte.
Ein Lehrer sagt es so. «Ich habe von meiner Arbeitszeit normalerweise zu 95 Prozent unterrichtet. Heue brauche ich 25 Prozent für Berichte, Statistik, Administratives. Weiss der Kuckuck, wer das alles liest und wem es nützt?»
Eine Lehrerin betont, sie sei auch Pädagogin. «Dennoch sitzt in meiner Klasse jetzt eine Heilpädagogin. Sie pflegt jedes Seelenboböchen. Manchmal frage ich mich, ob es in meiner Klasse überhaupt noch ‹normale› Kinder hat? So weit ist es mit mir gekommen.»
Einer anderen liegen die unendlichen Projektsitzungen, das Hüst und Hott auf dem Magen. Weil das schon seit Jahren so gehe, wirke das Ganze ermüdend. Sicher sei nur etwas: Nichts sei mehr sicher. Sie betont, nach vielen Monaten wieder mal eine Woche ohne Projektsitzungen gehabt zu haben. Die immer in der Freizeit.
Dass sie Lehrerin mit Begeisterung geworden sei, nehme ich ihr ab. Aber auch sie beklagt diese ewige Unruhe mit ständig Neuem. Und verabschiedet sich mit trotzigen Worten: «Ich muss die paar letzten Jahre einfach noch durchstehen.»
Das sind ein paar Momentaufnahmen. Wenn ich mit Bekannten darüber rede, haben sie Gleiches erfahren. Die brutale Gesellschaft belastet die Lehrer. Was ihnen die Schulbürokratie auch noch zumutet, wird dann oft zu viel. Vielleicht täusche ich mich ja. Nicht jedoch, dass die Stimmung besser sein müsste.

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