17. November 2011

Praxistest nicht bestanden

Kommentar von Denise Alig zum romanischen Sprachenstreit  "Südostschweiz" vom 17.11.
2003 hat der Grosse Rat beschlossen, romanische Lehrmittel nur noch in Rumantsch Grischun herauszugeben. Der Rat wollte damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. So sollten die Lehrmittel in den fünf Idiomen aus Kostengründen verschwinden. Gleichzeitig sollte die noch junge Einheitssprache Rumantsch Grischun definitiv den Durchbruch schaffen. Wie einleuchtend und elegant wirkte sie doch, diese Lösung! Mahnende Stimmen gab es zwar, doch niemand mochte sie hören. Zu gross war die Euphorie über den genialen Doppelschlag.
Acht Jahre später muss man feststellen: Das Konstrukt war zu schön, um wahr zu sein. Nur ein Drittel der romanischen Gemeinden alphabetisiert die Kinder in Rumantsch Grischun. Zwei Drittel der Gemeinden pfeifen auf die vom Kanton herausgegebenen Lehrmittel in der Kunstsprache. Der grosse Coup hat sich als grosser Irrtum herausgestellt: Das 2003 gewählte Modell hat den Praxistest nicht bestanden.
Wenn etwas nicht funktioniert, das den Alltag vieler betrifft, gehen Menschen aufeinander los. Auch in der Rumantschia. Es herrscht Psycho-Krieg pur. Um diesen zu befrieden, sind Entscheidungsträger beider Lager über ihren Schatten gesprungen und dem vorliegenden Kompromiss gefolgt. Das grenzt an ein Wunder, genauso wie die Tatsache, dass Vorberatungskommission und Regierung den Kompromiss ebenfalls befürworten. Der Friede ist in greifbare Nähe gerückt... Wäre da nicht die Pro Rumantsch, die zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt kräftig Öl ins Feuer giesst. Doch bei allem Lärm, den sie macht - in diesem delikaten letzten Romanen-Jahr waren es die Pragmatiker und nicht die Ideologen, die zukunftsfähige Lösungen vorlegten. Das wird auch der Grosse Rat so sehen. 

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