Philipp Gut übt Kritik an der Logik der Forderung nach einer Pensenkürzung für Lehrkräfte. Das Begehren des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (ZLV) wird mit der steigenden Belastung durch "arbeits- und zeitintensive" Nebenaufgaben begründet. Es ist falsch, so Gut, anstelle des aufwendigen Papierkrams die Unterrichtsstunden zu reduzieren.
Hier der Artikel aus der "Weltwoche" vom 30. Juni in voller Länge:
Das Ansehen der Lehrer, so scheint es, hat sich seit einigen Jahren wieder verbessert. Die Bezeichnung «Ferientechniker», einst bis zum Überdruss zu vernehmen, hört man heute kaum mehr. Auch der Eindruck, die Lehrer neigten in ihrer Mehrzahl zu weltfremden Ansichten und stünden dem Wirtschaftsleben skeptisch bis ablehnend gegenüber, hat sich etwas verflüchtigt. Wohl zu Recht.
Die Lehrer waren in den letzten Jahren einem Realitätstest ausgesetzt, wie ihn der Berufsstand seit der Einführung der obligatorischen Volksschule im 19. Jahrhundert noch nie erlebt hat. Die Belastung stieg, verursacht durch zwei Entwicklungen: den wachsenden Anteil an Ausländern und sonstigen Problemschülern; und durch eine Vervielfachung der administrativen und bürokratischen Aufgaben. Neue Lernformen, Teamteaching, Jobsharing etc. beanspruchten die Lehrer übermässig. Fast schien es, die eigentliche Aufgabe – das Unterrichten – rücke in den Hintergrund.
Jetzt beschreiten die Lehrer einen ungewöhnlichen Weg. Die «lieben Eltern und Erziehungsberechtigten» im schülerstärksten Schweizer Kanton erhielten kürzlich einen Brief der organisierten Lehrerschaft. Der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV), der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) und die Sekundarlehrkräfte des Kantons Zürichs (SekZH) baten um Unterstützung für ein politisches Anliegen: Sie fordern «eine Reduktion der Lektionenzahl».
Bei allem Verständnis für den gestiegenen Arbeitsdruck: Die Forderung erstaunt. Sie ist falsch. Und sie wirkt vollends verfehlt, wenn man die von den Gewerkschaften vorgebrachte Begründung liest.
«Seit weit über hundert Jahren» bewege sich die Unterrichtsverpflichtung im gleichen Rahmen, behaupten die Lehrerorganisationen. Dies, obwohl die Belastungen ausserhalb des Unterrichtens stetig zugenommen hätten. Mit weniger Wochenstunden, so begründen die Lehrer ihre Lobbyoffensive, bleibe «mehr Zeit für all die neuen arbeits- und zeitintensiven» Nebenaufgaben.
Der Bürokratiekram gehe zu Lasten des Unterrichtens, sagen die Lehrer. Folglich müsse die Zahl der Unterrichtsstunden reduziert werden. Damit mehr Zeit für den Bürokratiekram bleibe. Die Logik ist, sagen wir: originell. Die Gefahr besteht, dass die Lehrer mit ihrem inkonsequenten Auftreten hart erkämpfte Sympathien wieder verscherzen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen