8. Juni 2011

Freie Methoden bedingen freie Lehrmittelwahl

Heute wende ich mich einem Thema zu, das in Zukunft noch zu heissen Diskussionen führen wird: Sollen Lehrmittel grundsätzlich frei wählbar sein? Momentan herrscht in der Schweiz eine rigide Regelung mit fest verordneten Lehrwerken. Parallel dazu hat sich aber ein grosser Markt von inoffiziellen Lehrmitteln entwickelt. Die Frage ist nicht Lehrmittel ja oder nein, sondern bloss, wer bestimmt welche Lehrmittel offiziell  verwendet werden dürfen. Denn wer die Lehrmittel kontrolliert, kontrolliert zu einem grossen Teil, was an der Schule läuft.






Lehrmittel sind nicht bloss eine Sammlung von Lernstoffen, sie gliedern den Ablauf von Lernschritten und diktieren damit auch die Methoden. Wenn die Methodenfreiheit garantiert ist, müsste konsequenterweise auch die Lehrmittelfreiheit gesichert sein. Mit der neuen Sprachenpolitik ist beispielsweise nicht nur die Lehrmittelwahl, sondern damit auch die Methodenfreiheit stark unter Druck geraten. In den Kantonen entschieden sich Expertengremien in intransparenten Auswahlprozessen für ganz bestimmte Bücher aus ganz bestimmten Verlagen. Wenn man berücksichtigt, dass die Beurteilung eines Lehrmittels trotz den Bemühungen um Objektivität eine ausgesprochen subjektive Angelegenheit bleibt und die oft undurchsichtigen Abhängigkeitsverhältnisse im Bildungsmarkt hier mitspielten, dann bleibt bei diesen behördlichen Beschlüssen ein ungutes Gefühl zurück.


Es stellt sich also eine Machtfrage: Soll der Staat oder die einzelne Lehrkraft über die einzusetzenden Lehrmittel entscheiden? Das ideale Lehrmittel für alle existiert nicht, genauso wenig wie die ideale Methode für alle existiert. Dazu kommt, dass Lehrmittel keine spezielle Rücksicht nehmen auf Unterrichtsfaktoren wie Klassengrösse, Heterogenität oder die Kenntnisse und Fähigkeiten der Lehrperson. In den Klassenzimmern von heute sitzen nicht mehr Klassen sondern Individuen, die entsprechend ihren Stärken und Schwächen gefördert werden wollen. Dennoch werden Schulbücher kraft der Autorität des Auswahlgremiums flächendeckend als verbindlich erklärt. Weshalb diese behördliche Bevormundung, wenn gleichzeitig das Schulkind mit seinen individuellen Lernbedürfnissen immer stärker ins Zentrum des Interesses gerückt wird? Ist es nicht eher die Aufgabe der Politik und ihres Apparates, die Lernziele im Lehrplan klar und deutlich zu benennen, anstatt ohne Rücksicht auf die realen Bedürfnisse gleich auch noch die Lehrmittel vorzuschreiben?

Das geplante Bildungsmonitoring (ein folgenschwererTeil der Harmos-Vereinbarung) sammelt Leistungsdaten von Schulklassen der Deutschschweiz. Oft wird nun vorgebracht, damit die Daten nachher auch interpretiert werden könnten, brauche es identische - sprich vorgeschriebene - Lehrmittel.  Ich bestreite diese Argumentation, denn ein Leistungsvergleich hinkt an weit bedenklicheren Unterschieden als bloss den Lehrmitteln. Denken wir an Klassengrössen, Lektionszahlen oder Lehrerlöhne (siehe dazu auch mein Beitrag vom 6. Juni).


Fassen wir zusammen: Lehrmittel sind sinnvoll und notwendig. Wir brauchen aber keine Expertengremien, welche den Lehrern vorschreiben, welche Bücher sie für ihre jeweiligen Klassen zu bestellen haben. Das ist eine Entmündigung der kompetenten Lehrperson und gleichzeitig ein Verlust an gezielter Förderung. Die Forderung nach Lehrmittelfreiheit orientiert sich an der bestehenden Methodenfreiheit. Es gibt eben verschiedene Wege, um den Anforderungen des Lehrplans gerecht zu werden.












1 Kommentar:

  1. Sehr einverstanden! Mit den obligatorischen Lehrmitteln wird der Unterricht massgebend beeinflusst und gesteuert. Ich stimme der Auffassung zu, dass die Lehrpläne verbindlicher formuliert werden müssen, damit der Unterricht - unabhängiger von den Lehrmitteln - auf das zu erwerbende Wissen, Können bzw. die Fertigkeiten ausgerichtet werden kann. So könnten sich die Schüler und Schülerinnen die geforderten Kompetenzen ohne obrigkeitliches Korsett aneignen. Allerdings müsste im Rahmen der Auffsicht (Schulpflege/Fachstellen für Schulbeurteilung, Bildungsrat) sichergestellt werden, dass die verwendeten Lehrmittel dem gesellschaftspolitischen Konsens entsprechen.

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