Die
Zeitenwende läutete einer der umtriebigsten und umstrittensten
Bildungspolitiker der letzten Dekaden ein: 1998 lancierte der Zürcher
Erziehungsdirektor Ernst Buschor das «Schulprojekt 21», bei dem Private und
Firmen erstmals in grossem Stil Computer, Software und Internetzugänge
mitfinanzierten. Der Aufschrei in der Lehrerschaft war gross: Nehmen die
privaten Geldgeber durch ihr Sponsoring Einfluss auf die Lerninhalte? Zieht
sich der Staat nun sukzessive aus der Finanzierung des obligatorischen Unterrichts
zurück? Macht Kommerz bald Schule?
Kein Kommerz im Klassenzimmer, NZZ, 9.11. Kommentar von Marc Tribelhorn
Die
damalige Empörung verhallte jedoch schnell, und die öffentliche Aufmerksamkeit
richtete sich vermehrt auf die Investments von Grosskonzernen an den hiesigen
Hochschulen. Was unter Buschors Ägide eingeleitet worden war, entwickelte sich
indes ziemlich rasant und ziemlich geräuschlos zu einem Millionenmarkt. Heute
sind gesponserte Unterrichtseinheiten und Geräte längst Alltag in den
Klassenzimmern der Volks- und Mittelschule – ob Laptops und Tablets von Samsung
oder Apple, Arbeitsblätter von Pharma- und Nahrungsmittelriesen oder Lektionen,
die von Lobbyisten gehalten werden.
Die
Schulen argumentieren, sie seien wegen des Spardrucks im Bildungsbereich
verstärkt auf private Finanzierungen angewiesen. Lehrpersonen klagen über eine
stetig wachsende Arbeitsbelastung und setzen daher gerne auf die pfannenfertig
und stufengerecht aufbereiteten Unterrichtsmaterialien, die niederschwellig und
vor allem kostenlos bezogen werden können. Diese neuen Formen der Kooperation
müssen nicht zwingend ein Problem darstellen. Tatsächlich sind aus privater
Finanzierung schon hervorragende und vor allem innovative Schulprojekte
hervorgegangen. Doch die Unternehmen und Organisationen, die den Unterricht
mitgestalten wollen, handeln selten aus rein altruistischen Motiven: Die Kinder
von heute sind die Konsumenten von morgen.
Dass
nun der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer eine Charta und einen Leitfaden
zum Bildungs-Sponsoring an öffentlichen Schulen veröffentlicht hat, ist denn
auch überfällig. Es braucht keine flächendeckende gesetzliche Regulierung, aber
klare Richtlinien, welche Formen des Sponsorings an öffentlichen Schulen
verträglich sind und welche nicht. Der Datenschutz ist beispielsweise ebenso
rigide einzuhalten, wie aggressive Produktplacierungen und ideologisch
getränkte Lerninhalte aus dem Unterricht verbannt werden müssen. Bedenkliche
Beispiele gibt es zuhauf: So wurden etwa kostenlose IT-Angebote mit
persönlichen Daten «entgolten» oder Unterrichtseinheiten angeboten, die Themen
einseitig darstellten – wie jene von Swissnuclear zu Energiequellen, die zwar
die Nachteile von Solarenergie und Geothermiekraftwerken erwähnte, zur
Nuklearenergie jedoch nur deren Vorteile auflistete.
Gefordert
sind folglich nicht nur die Schulen, die sich durch die Sponsorings in eine
Abhängigkeit von privaten Partnern begeben könnten, sondern auch die
Lehrerinnen und Lehrer: Sie sind dafür verantwortlich, dass die Lehrmittel und
Unterlagen, die sie im Unterricht einsetzen, den pädagogischen und inhaltlichen
Qualitätsstandards genügen. Soll heissen: dass sie weltanschaulich ausgewogen
und werbefrei sind. Indoktrination und Kommerz haben im Klassenzimmer nichts
verloren.
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