9. November 2016

Bei Sponsoring sind die Lehrer gefordert

Die Zeitenwende läutete einer der umtriebigsten und umstrittensten Bildungspolitiker der letzten Dekaden ein: 1998 lancierte der Zürcher Erziehungsdirektor Ernst Buschor das «Schulprojekt 21», bei dem Private und Firmen erstmals in grossem Stil Computer, Software und Internetzugänge mitfinanzierten. Der Aufschrei in der Lehrerschaft war gross: Nehmen die privaten Geldgeber durch ihr Sponsoring Einfluss auf die Lerninhalte? Zieht sich der Staat nun sukzessive aus der Finanzierung des obligatorischen Unterrichts zurück? Macht Kommerz bald Schule?
Kein Kommerz im Klassenzimmer, NZZ, 9.11. Kommentar von Marc Tribelhorn


Die damalige Empörung verhallte jedoch schnell, und die öffentliche Aufmerksamkeit richtete sich vermehrt auf die Investments von Grosskonzernen an den hiesigen Hochschulen. Was unter Buschors Ägide eingeleitet worden war, entwickelte sich indes ziemlich rasant und ziemlich geräuschlos zu einem Millionenmarkt. Heute sind gesponserte Unterrichtseinheiten und Geräte längst Alltag in den Klassenzimmern der Volks- und Mittelschule – ob Laptops und Tablets von Samsung oder Apple, Arbeitsblätter von Pharma- und Nahrungsmittelriesen oder Lektionen, die von Lobbyisten gehalten werden.

Die Schulen argumentieren, sie seien wegen des Spardrucks im Bildungsbereich verstärkt auf private Finanzierungen angewiesen. Lehrpersonen klagen über eine stetig wachsende Arbeitsbelastung und setzen daher gerne auf die pfannenfertig und stufengerecht aufbereiteten Unterrichtsmaterialien, die niederschwellig und vor allem kostenlos bezogen werden können. Diese neuen Formen der Kooperation müssen nicht zwingend ein Problem darstellen. Tatsächlich sind aus privater Finanzierung schon hervorragende und vor allem innovative Schulprojekte hervorgegangen. Doch die Unternehmen und Organisationen, die den Unterricht mitgestalten wollen, handeln selten aus rein altruistischen Motiven: Die Kinder von heute sind die Konsumenten von morgen.

Dass nun der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer eine Charta und einen Leitfaden zum Bildungs-Sponsoring an öffentlichen Schulen veröffentlicht hat, ist denn auch überfällig. Es braucht keine flächendeckende gesetzliche Regulierung, aber klare Richtlinien, welche Formen des Sponsorings an öffentlichen Schulen verträglich sind und welche nicht. Der Datenschutz ist beispielsweise ebenso rigide einzuhalten, wie aggressive Produktplacierungen und ideologisch getränkte Lerninhalte aus dem Unterricht verbannt werden müssen. Bedenkliche Beispiele gibt es zuhauf: So wurden etwa kostenlose IT-Angebote mit persönlichen Daten «entgolten» oder Unterrichtseinheiten angeboten, die Themen einseitig darstellten – wie jene von Swissnuclear zu Energiequellen, die zwar die Nachteile von Solarenergie und Geothermiekraftwerken erwähnte, zur Nuklearenergie jedoch nur deren Vorteile auflistete.

Gefordert sind folglich nicht nur die Schulen, die sich durch die Sponsorings in eine Abhängigkeit von privaten Partnern begeben könnten, sondern auch die Lehrerinnen und Lehrer: Sie sind dafür verantwortlich, dass die Lehrmittel und Unterlagen, die sie im Unterricht einsetzen, den pädagogischen und inhaltlichen Qualitätsstandards genügen. Soll heissen: dass sie weltanschaulich ausgewogen und werbefrei sind. Indoktrination und Kommerz haben im Klassenzimmer nichts verloren.


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