17. Juni 2016

"Schule wird durch Lehrplan 21 kopflastiger"

Sie gelten als Kritiker des Lehrplans 21. Was ist schlecht daran?
Hanspeter Amstutz: Er ist zu überladen. Man hat viel zu viel hineingepackt. Auf der Mittelstufe bringt ein randvolles Bildungsprogramm mit aufgestockten 31 Lektionen und anspruchsvollen Zielsetzungen unnötige Hektik in den Unterricht. Neu sollen die Schüler Informatik und Medienkunde, mehr Natur und Technik sowie mehr Französisch lernen. Und das individualisiert. Das ist mit nur einer Lehrperson kaum noch zu bewältigen. Ausser man setzt die Schüler an einen Computer und lässt sie an ihren individuellen Programmen arbeiten. 
Amstutz sieht auch Positives im Lehrplan 21, Bild: Landbote
Nachgefragt, Landbote, 15.6. von Nadja Ehrbar

Wo müsste man entlasten?
Bei den Fremdsprachen in der Mittelstufe. Doch statt dass man eine Fremdsprache streicht, kürzt man Handarbeitslektionen. Das macht die Schule nur noch kopflastiger. 

Inwiefern wird der Lehrplan den Unterricht verändern?
Trotz der neuen Fächer darf das Ganze ja nicht mehr kosten. Es gibt nun weniger Halbklassenunterricht, was die Unterrichtsqualität stark beeinträchtigt. Auf Jahresziele wird verzichtet. Vorgegeben wird nur noch, was die Schüler nach einem vierjährigen Zyklus beherrschen müssen. Ohne Jahresziele werden die Klassen immer heterogener. So können sich die Schüler einer fünften Klasse mit ihren individuellen Matheprogrammen auf völlig unterschiedlichen Kompetenzstufen befinden. 

Welche weiteren Probleme sehen Sie?
Ungeklärt ist, wie der individuelle Lernstand der Schüler möglichst lesbar im Zeugnis abgebildet werden soll. Umstritten ist, ob der neue Lehrplan tatsächlich zu einem Paradigmenwechsel führen wird. Er ist aber so angelegt, dass er dem Lernen in Lernlandschaften breiten Raum gibt. Der Lehrer bringt den Schülern nicht mehr direkt etwas bei, er begleitet sie nur, was ich schlecht finde. 

Wie hoch schätzen Sie denAufwand an den Schulen ein,um den Lehrplan einzuführen?
Das Anpassen der Lehrmittel wird am aufwendigsten sein. Die Kosten dafür tragen primär die Gemeinden. 

Gibt es auch Positives?
Unbestritten ist, dass in den Kantonen die gleichen Bildungsziele gelten sollen. Das war auch die ursprüngliche Idee des Lehrplans. Und sinnvolle Neuerungen wie grundlegende Informatik, mehr schülernahe Naturwissenschaften, mehr Aufmerksamkeit fürs Deutsch sowie eine massvolle Individualisierung sind gut. 

Wie müsste der Lehrplan sein?
Er müsste wenige, aber verbindliche Inhalte mit den dazugehörigen Grundkompetenzen enthalten. Es braucht keinen Katalog mit 3700 Teilkompetenzen, dafür Jahresziele in den Hauptfächern und Stufenziele in den Nebenfächern. Er müsste eine leicht verständliche Struktur haben, damit ihn auch Laien lesen können. Und den Lehrpersonen sollte das Vertrauen geschenkt werden, dass sie auch ohne ein engmaschiges Programm ihre beste Leistung erbringen werden. 

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