«Die Schüler aus dem Aargau sind um einiges besser
vorbereitet auf das Gymnasium als diejenigen aus Baselland», sagt Florian, der
im nächsten Frühjahr in Muttenz (BL) die Matur macht.
Seine Beobachtung hat einen Grund: Wenn Jugendliche
im Aargau aufs Gymnasium wollen, müssen sie im Vergleich zu den Schülerinnen
und Schülern aus Baselland und Basel-Stadt bessere Noten vorweisen.
Kantone setzen unterschiedliche Hürden fürs Gymnasium, SRF, 6.12. von Sabine Bitter
Eigenössisch anerkannte Matur: kantonal gesteuerter Bildungsabschluss, SRF Kontext, 3.12.
Die Bedingungen für den Eintritt ins Gymnasium
unterscheiden sich in der Schweiz von Kanton zu Kanton erheblich, was die
Bildungsgerechtigkeit in Frage stellt.
Grosse kantonale
Unterschiede
Gross ist zum Beispiel der Graben zwischen dem
Glarnerland und dem Kanton Genf: In Glarus machen 14 Prozent der jungen Leute
die Matur, im Kanton Genf sind es mit 30 Prozent mehr als doppelt so viele.
Der Zugang zum Gymnasium hängt nicht nur von der
sozialen Herkunft, sondern auch massgeblich vom Wohnort ab – und damit ein
Stück weit auch vom Zufall.
Der Freiburger Bildungsforscher Winfried Kronig
spricht deshalb von einer «systematischen Zufälligkeit des Bildungserfolgs»,
der bereits auf den unteren Schulstufen eine Rolle spielt.
Ein Grund für die kantonalen Unterschiede: Die
Kantone legen nach eigenem Gutdünken eine Maturitätsquote fest. Je niedriger
sie diese ansetzen, desto höher sind die Anforderungen für Jugendliche, die ins
Gymnasium gehen.
Willkürliche
Quote
Die Gymnasien spielen als Erfüllungsgehilfen der
vorgegebenen Quote ihrerseits eine wichtige Rolle. Mit unterschiedlich langen
Probezeiten haben sie ein weiteres Instrument in der Hand, die Aufnahme zu
bestätigen oder zu korrigieren.
Doch eine Maturitätsquote, die unabhängig von der
schulischen Leistung politisch ausgehandelt wird, widerspricht dem Prinzip der
Meritokratie, wie der nationale Bildungsbericht 2018, festhält.
Damit wird die in der Schule vorgegebene
Werthaltung, dass das Verdienst von der Leistung abhängt, vom Bildungssystem
selbst ausser Kraft gesetzt.
Wirtschaftliche
Interessen bestimmen mit
Hinter der gesetzten Maturitätsquote stehen oft
auch wirtschaftliche Interessen.
Wenn der lokale oder regionale Arbeitsmarkt nur
eine geringe Nachfrage nach jungen Leuten mit einer universitären Ausbildung
hat, ist der politische Wille gering, das gymnasiale Angebot auszubauen.
Je kleiner die Zahl der Gymnasiasten in einem
Kanton ist, desto eher können kleine und mittlere Unternehmen davon ausgehen,
leistungsfähige Lehrlinge zu bekommen.
Vor diesem Hintergrund vertrat der Bundesrat und
abtretende Bildungsminister Schneider-Ammann die Position, lieber weniger,
dafür bessere Maturanden zu haben. Er plädierte für eine härtere Matur.
Der digitale
Wandel fordert heraus
Der ehemalige Rektor der Universität Basel und
Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz, Antonio Loprieno, hält
dagegen.
Damit kleinere und mittlere Unternehmen den
digitalen Wandel in Zukunft bewältigen können, bräuchten sie Mitarbeiter mit
einer guten Allgemeinbildung.
«Ich glaube, dass wir ein paar Maturanden mehr
durchaus verkraften könnten», so Loprieno, «Gerade weil eine gymnasiale
Ausbildung eine Flexibilität vermittelt, die von Nutzen sein kann.»
Ob es in den nächsten Jahren zu einem solchen
Bildungszuwachs kommt, ist allerdings fraglich, solange die Kantone an ihrer
Quote festhalten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen