6. Mai 2017

Largo: Zürcher Frühfremdsprachen bringen überhaupt nichts

Für einmal ging es an einer Diskussionsrunde über Frühenglisch und Frühfranzösisch an der Primarschule nicht um Sprachpolitik, sondern in erstern Linie um Pädagogik. Der Kinderarzt und Buchautor Remo Largo lancierte die Debatte mit radikalen Aussagen: «Es ist schlicht Ignoranz, wenn die Politik Dinge beschliesst, die völlig an den Kindern vorbeigehen.» Die Art und Weise, wie an den Zürcher Schulen Frühenglisch und Frühfranzösisch unterrichtet werde, bringe überhaupt nichts, sagte Largo, der verschiedene Forschungsarbeiten über den Spracherwerb bei Kindern geschrieben hat. Denn erst in der Oberstufe seien Jugendliche in der Lage, eine Fremdsprache in der Schulbank analytisch zu erlernen.
Kinderarzt Remo Largo: «Ein vierwöchiges Klassenlager in der Romandie würde mehr bringen, als vier Jahre Frühfranzösisch im Klassenzimmer.» Bild: Keystone
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Man muss die Schulnoten abschaffen", Landbote, 6.5.


«Ein vierwöchiges Klassenlager in der Romandie würde mehr bringen, als vier Jahre Frühfranzösisch im Klassenzimmer», sagte Largo. Er sparte auch nicht mit Grundsatzkritik am Schulsystem: «Man muss die Schulnoten abschaffen.» Forschungen hätten längst gezeigt, dass die Benotung mehr schade als nütze. Die Kinder entwickeln sich gemäss Largo so unterschiedlich, dass eine einheitliche Benotung unmöglich sei. Hingegen müsse man auf die Lehrpersonen hören: «Denn der wichtigste Faktor für den Lernerfolg eines Kindes ist der Lehrer.»

Aus diesen Gründen befürwortet Largo die Initiative «Mehr Qualität – eine Sprache an der Volksschule», über die am 21. Mai abgestimmt wird. Die Gegner der Initiative auf dem Podium in der Alten Kaserne, teilten viele von Largos Ansichten – und stimmen trotzdem anders ab. Christoph Baumann (SP) und Renate Dürr (Grüne) plädierten beide für mehr Kreativität und spielerischen Sprachunterricht.

«Es gibt Lehrerinnen und Lehrer, die bei den Kindern die Begeisterung für die Sprachen wecken können», sagte Dürr. Baumann bestritt, dass der frühe Sprachunterricht nichts bringe: «Es findet ein erster Kontakt mit der Fremdsprache statt, so werden Hürden abgebaut.» Baumann, der in der Schulevaluation der Bildungsdirektion arbeitet, plädierte dafür, statt immer nur über den Sprachentscheid zu diskutieren, eine Debatte über die Lernmethodik an der Schule zu führen.

Der Elgger Sekundarlehrer und GLP-Kantonsrat Christoph Ziegler sagte, nach zehn Jahren mit zwei Fremdsprachen an der Primarschule sei die Bilanz ernüchternd. Ein Grossteil der Schülerinnen und Schüler erreiche die Lernziele nicht: «Wir müssen jetzt die Notbremse ziehen.» Dem widersprach eine Englischlehrerin aus dem Publikum: Das Niveau der Englischkenntnisse sei heute deutlich besser als noch vor zehn Jahren, gerade auch bei den Sek-Schülern.

Im rund 40-köpfigen Publikum sassen viele Fachleute, Lehrer und Eltern. Die Meinungen waren gespalten: Einerseits wurde angeprangert, die Initiative verhänge ein Lernverbot für eine der beiden Fremdsprachen an der Primarschule, andererseits wurde vor der Überlastung der Schüler gewarnt.

Klare Mehrheit für Frühenglisch

Die Frage, ob nur noch Frühenglisch oder nur noch Frühfranzösisch an der Primarschule unterrichtet werden soll, lässt die Initiative bewusst offen. Den Entscheid müsste nach eine «Ja» der Regierungsrat fällen. Eine Abstimmung, die Moderator Jakob Bächtold vom «Landboten» mit dem Publikum durchführte, ergab eine klare Mehrheit für Frühenglisch und die Verbannung des Französisch an die Oberstufe. Auf dem Podium stimmten Largo und Ziegler für Frühenglisch, Dürr und Baumann für Frühfranzösisch.

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