31. Mai 2017

Bildungsrat degradiert Biologie, Chemie und Physik zu Einstunden-Fächern

Die Vernehmlassung zur neuen Stundentafel für die Baselbieter Sekundarschulen war eine Farce: Trotz einer mehrheitlich negativen Aufnahme des Vorschlags hat der Bildungsrat die in die Vernehmlassung geschickte Stundentafel unverändert in Kraft gesetzt. Verlierer sind die naturwissenschaftlichen Fächer und die Geschichte: Diese werden neu wöchentlich als Einstunden-Fächer oder während eineinhalb Lektionen unterrichtet. Damit setzt sich das Expertengremium darüber hinweg, dass die Lehrkräfte für die Einstundenfächer kaum ergiebige Lernfortschritte voraussagen.
Kein Musikgehör für die Naturwissenschaften, Basler Zeitung, 31.5. von Thomas Dähler


Der Entscheid des Bildungsrats steht quer in der Landschaft, wurde doch in jüngster Zeit mehrfach auf den Fachkräftemangel in der Schweiz hingewiesen und eine Förderung der Naturwissenschaften und der ICT gefordert. Auch Rektoren der Baselbieter Gymnasien hatten am Entwurf kritisiert, dass sie davon ausgehen, dass die Qualität der Leistungen der Schülerinnen und Schüler in den Naturwissenschaften mit der neuen Stundentafel leiden wird. Eben erst hat die Baselbieter Regierung festgehalten, dass sich in den Gymnasien bei der Wahl der Schwerpunktfächer ein Trend hin zu den Naturwissenschaften abzeichnet.
Neu werden nun an den Sekundarschulen ab 2018 Biologie, Chemie und Physik mit nur einer Lektion pro Woche unterrichtet, Geografie und Geschichte mit eineinhalb Lektionen. Alle Fächer werden während der ganzen drei Sekundarschuljahre so geführt. Auf der Gewinnerseite stehen dafür Deutsch, Textiles Gestalten, Werken und Hauswirtschaft. Hauswirtschaft erhält gar in der zweiten und dritten Sek einen doppelt bis dreifach höheren Stellenwert als Biologie, Chemie oder Physik. Insgesamt steigt das Pensum der Schülerinnen und Schüler um eine einzige Stunde: um die neue Stunde Ethik/Religion/Gemeinschaft. Das Lektionen­deputat für die Lehrkräfte steigt um zwei Wochenlektionen.

Die «beste Lösung»
Begründet wird die Gewichtsverschiebung vom Bildungsrat dürftig. Der Bildungsrat habe «die eingebrachten Anliegen und Vorschläge eingehend überprüft», heisst es in der schriftlichen Stellungnahme. Eine Stundentafel könne in Anbetracht des beschränkten Zeitbudgets die berechtigten Bildungsanliegen nicht aufnehmen und sei immer ein Kompromiss. «Er hat die Fassung, wie er sie in die Anhörung gegeben hat, als beste Lösung gewertet», schreibt der Bildungsrat. Die vom Volk beschlossene Änderung des Bildungsgesetzes sei umgesetzt.

Damit verweist der Bildungsrat auf das Abstimmungsergebnis vom 5. Juni 2016. Damals hatten die Baselbieter Stimmberechtigten die vom Bildungsrat bekämpfte Initiative zugunsten einer Weiterführung des separaten Unterrichts und der separaten Benotung der naturwissenschaftlichen Fä­­cher und der Geschichte angenommen. Formell wird der neue Gesetzesparagraf mit der beschlossenen wöchentlichen Einlektionen-Dotation erfüllt.
Augenfällig wird mit der neuen Stundentafel auch die Gleichschaltung der drei Sekundarschulniveaus A, E und P. In der Vernehmlassung war diese Gleichschaltung als «Hypothek» kritisiert worden. Insbesondere für die P-Klassen, die sich auf den Übertritt aufs Gymnasium vorbereiten, dürfte sich die Gleichschaltung der Niveaus als nachteilig erweisen.

Damit hebt sich der Kanton Baselland in der Nordwestschweiz von den Nachbarkantonen Solothurn und Aar­gau ab. Weshalb der Bildungsrat keinen Blick über die Kantonsgrenzen geworfen hat, führt er in seiner gestern veröffentlichten Mitteilung nicht auf. Dafür verweist er auf die frühere Abstimmung mit dem Kanton Basel-Stadt. Basel-Stadt hat jedoch die naturwissenschaftlichen Fächer durch neue Sammel­fächer abgelöst, sodass sich dort die Frage der Einstundenfächer gar nicht stellt.


Nicht berücksichtigt wurde in der neuen Stundentafel trotz Lehrplan 21 die Informatik. Damit wird es weiterhin von den Lehrkräften abhängen, ob sie Teile der Informatik überfachlich in den Unterricht integrieren. Wenn Lehrkräfte die Informatik nicht als wichtig erachten oder selber kaum Kompetenzen darin aufweisen, wird sie weiterhin nicht stattfinden.

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