In der Schweiz bilden sich zwar wieder mehr Menschen zu Lehrerinnen und
Lehrern aus und ausländische Lehrkräfte unterrichten in Schweizer Schulzimmern.
Aber der Lehrermangel ist nicht nachhaltig beseitigt. Vor allem
Heilpädagoginnen und Heilpädagogen fehlen.
Lehrermangel ist nicht nachhaltig beseitigt, sda, 12.8.
Alle Lehrerstellen besetzt: Das heisst es in den Kantonen jedes Jahr vor
Beginn des neuen Schuljahres. Für den Dachverband Lehrerinnen und Lehrer
Schweiz (LCH) kein Grund zur Entwarnung: "Es gibt Stufen und Fächer, in
denen man eine Lehrkraft einstellen muss ohne auswählen zu können", sagt
Präsident Beat Zemp.
Ausgewiesen ist laut Zemp ein Mangel an Heilpädagogen und
Heilpädagoginnen. "Grund ist die integrative Schulung von Kindern mit
Beeinträchtigungen." Heilpädagogen begleiten und unterstützen diese Kinder
in der Regelklasse. "Fehlt der Heilpädagoge oder die Heilpädagogin, wird
es für die Regel-Lehrkraft schwieriger."
Der Westschweizer Lehrerverband Syndicat des enseignants romands (SER)
fordert mehr Personal und auch mehr Geld für die integrative Schulung. Gleiches
verlangt der Verband auch für die Betreuung von Kindern von Eingewanderten.
Anstellung ohne
Diplom
Ein Blick in ein paar Kantone bestätigt den Heilpädagogen-Mangel: Auf
der Primar- und der Sekundarstufe hätten die Lehrerstellen ohne Probleme besetzt
werden können, berichtet Brigitte Mühlemann vom Zürcher Volksschulamt. Auf der
Kindergartenstufe habe sich die Lage im Vergleich zum Vorjahr entschärft - zwei
Wochen vor Schulbeginn fehlten für die Kleinsten nur noch ganz wenige
Lehrkräfte.
"Doch bei der schulischen Heilpädagogik ist die Situation weiterhin
angespannt", sagt Mühlemann. Nicht alle Stellen könnten mit einer
ausgebildeten Fachkraft besetzt werden. Zum Teil würden deshalb Lehrerinnen und
Lehrer eingesetzt, die das entsprechende Hochschulstudium nicht absolviert
hätten.
Auch Basel-Stadt vermeldet "kleine Engpässe" bei der
Heilpädagogik. Es seien Personen angestellt worden, die zwar ein Lehrdiplom
hätten, aber kurz vor dem Abschluss der Ausbildung für Heilpädagogen stünden,
sagt Simon Thiriet, Sprecher des Erziehungsdepartements. "Sie arbeiten in
der Regel mit kleinem Pensum bei uns."
Keine Probleme bei der Stellenbesetzung meldet das Amt für Volksschule
im Kanton St. Gallen. Auch hier ist die Heilpädagogik die Ausnahme: Vor den
Ferien seien noch vereinzelte Stellen im Bereich schulische Heilpädagogik nicht
vergeben gewesen, hiess es. Man gehe aber davon aus, dass diese Posten
inzwischen besetzt seien.
Immer mehr Bürokram
Eine Belastung für die Lehrerinnen und Lehrer ist der zunehmende Bürokram.
Der SER fordert eine Reduzierung der administrativen Arbeiten für Lehrkräfte.
Dass bis zu den Bleistiften alles verwaltet und kontrolliert werden müsse,
fresse Zeit weg, die die Lehrkräfte eigentlich für die Schüler benötigten,
sagte SER-Präsident Samuel Rohrbach vor kurzem an einer Medienkonferenz.
Rund jede sechste neue ausgebildete Lehrkraft (16 Prozent) steige nach
einem Jahr Schuldienst wieder aus, macht die SER geltend. Fast die Hälfte der
Lehrkräfte (49 Prozent) ist nach fünf Jahren versucht, eine andere Arbeit
anzunehmen.
Andere arbeiten laut SER Teilzeit, um durchhalten zu können. Die SER hat
eine Studie bestellt zu Belastung und Gesundheit des Lehrkörpers. Bis in einem
Jahr sollen Resultate vorliegen.
Dokumentieren und
absichern
Dass auf Lehrerpulten derart viel Büroarbeit landet, hat laut Zemp unter
anderem mit der Rechenschaftspflicht zu tun. "Weil Eltern alles
hinterfragen und zuweilen auch mit dem Anwalt drohen, müssen die Lehrkräfte
sich besser dokumentieren und absichern." Die Standards seien rigider
geworden.
Mehr Studierende an den Pädagogischen Hochschulen und aus dem Ausland
zugezogene Lehrkräfte vermögen laut Zemp den Lehrermangel nicht nachhaltig zu
entschärfen. Nach wie vor stünden viele Pensionierungen an, und während sich
gewisse Bergtäler entvölkerten, stiegen vor allem in Agglomerationen die
Schülerzahlen.
Mit ausländischen
Diplomen
Seit ein paar Jahren ziehen zunehmend Lehrerinnen und Lehrer aus dem
Ausland in die Schweiz. Seit 2011 hat die Konferenz der kantonalen
Erziehungsdirektoren pro Jahr um die 700 ausländische Diplome anerkannt, sowohl
für Lehrerinnen und Lehrer als auch für Sonderpädagogen.
Rund einer von fünf Gesuchstellern muss an der Ausbildung feilen, bevor
das Diplom anerkannt wird. Seit 2002 sind rund 5000 ausländische Lehrdiplome
und 1000 Abschlüsse im pädagogisch-therapeutischen Bereich anerkannt worden -
an Schweizer Volksschulen und Maturitätsschulen unterrichten insgesamt rund
100'000 Lehrkräfte.
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