16. Juni 2016

Thurgau stimmt voraussichtlich im November über Lehrplan-Initiative ab

Geht es um die Abschaffung von Frühfranzösisch, steht der Thurgau im Ruf einer bildungspolitischen Speerspitze. Denn als Folge einer vom Grossen Rat gutgeheissenen Motion wird im Thurgau ab Mitte 2018 Französisch erst wieder in der Oberstufe gelehrt. So steht es in der Thurgauer Variante des Lehrplans 21, die noch bis Ende Juni in der Vernehmlassung ist und danach vom Regierungsrat erlassen werden soll. Just gegen diesen Lehrplan richtet sich die Volksinitiative «Ja zu einer guten Thurgauer Volksschule», die mit über 5000 Unterschriften eingereicht wurde. Sie rüttelt indes in keiner Weise an der Abschaffung von Frühfranzösisch, stammt sie doch aus der Küche von teilweise denselben Personen, die auch gegen Frühfranzösisch sind. Vielmehr reiht sich die Initiative in die national orchestrierte Kampagne ein, mit welcher der Lehrplan 21 in zahlreichen Kantonen aus grundsätzlichen Erwägungen verhindert werden soll.
Entscheid des Grossen Rates kommt wenig überraschend, Bild: Gaetan Bally
Gegen Verpolitisierung der Volksschule, NZZ, 15.6. von Jörg Krummenacher
Die Thurgauer Initiative verlangt, dass Lehrpläne und Stundentafeln nicht mehr wie bisher vom Regierungsrat erlassen, sondern neu vom Grossen Rat genehmigt werden und dem fakultativen Referendum zu unterstellen sind. Inhaltlich soll der Lehrplan zudem um konkrete Jahrgangsziele ergänzt werden. Mit einer Übergangsbestimmung will die Initiative schliesslich sicherstellen, dass der Lehrplan 21 angepasst und neu genehmigt werden muss.

Bereits vor anderthalb Jahren hatte der Thurgauer Grosse Rat eine Motion deutlich abgelehnt, die den Lehrplan vors Parlament und fakultativ vors Volk bringen wollte. Am Mittwoch nun erklärte er die Initiative zwar für gültig, empfahl sie dem Stimmvolk aber wiederum klar mit 97 gegen 22 Stimmen zur Ablehnung.

Nur gerade die EDU und eine Minderheit der SVP machten sich für die Initiative stark. Nach Ansicht der Ratsmehrheit ist der Lehrplan ein Hilfs- und Planungsinstrument für Fachpersonen und gehört mit seinen derzeit 470 Seiten weder ins Parlament noch vors Stimmvolk. Dies hiesse nichts anderes, als die Schule in politische Auseinandersetzungen zu zerren, was ihr gewiss nicht guttue. Eine Verpolitisierung der Schule sei zu vermeiden. Sollte die Initiative vom Volk gutgeheissen werden, würde die Volksschule demnach zur Kampfarena für die Durchsetzung politischer und gesellschaftlicher Partikularinteressen.

Zu wenig Praxisbezug
Aus den Voten der Befürworter anderseits sprach das Unbehagen gegenüber einer Vertheoretisierung der Volksschule und gegenüber «übereifrigen Evaluatoren und Schulentwicklern», wie eine Kantonsrätin meinte. Der Lehrplan sei «ein Konstrukt von Wissenschaftern», die wenig oder gar keinen Bezug zum Schulalltag hätten. Um die Schule praxisnäher zu gestalten, bedürfe es der demokratischen Mitwirkung.

Das Thurgauer Stimmvolk wird voraussichtlich im kommenden November über die Initiative befinden. Nach Auskunft von Erziehungsdirektorin Monika Knill dürfte der Regierungsrat den Volksentscheid abwarten, bevor er den Lehrplan 21 definitiv erlässt.

In allen Deutschschweizer Kantonen stehen die Lehrpläne 21 zur Umsetzung an. Bis jetzt ist noch in keinem die Legislative für deren Erlass zuständig. Am 5. Juni lehnte das Baselbiet eine entsprechende Initiative relativ knapp ab, während Ende April die Innerrhoder Landsgemeinde eine Einzelinitiative gegen die Einführung des Lehrplans 21 deutlich bachab schickte.

Neben dem Thurgau stehen noch in diversen weiteren Kantonen Abstimmungen zu Volksschulinitiativen an. Am 25. September entscheidet St. Gallen über den Ausstieg aus dem Harmos-Konkordat. Im Aargau kommt die Volksinitiative gegen den Lehrplan am 28. Juni vor den Grossen Rat und im Februar 2017 vors Volk. Abstimmungen stehen auch in Zürich und Schaffhausen an, während in Bern, Luzern, Solothurn oder Graubünden Initiativen pendent sind.



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