23. April 2016

Wer zahlt, befiehlt

Die Schulbehörden sind sich einig: Wenn das Sparpaket des Regierungsrats durchkommen sollte und die Gemeinden die Schulleiter vollumfänglich zahlen und anstellen sollen, dann wollen sie auch über die Anstellungsbedingungen entscheiden.













Werden reiche Gemeinden bald bessere Schulen haben? Bild: Keystone
Wenn sie zahlen, wollen sie befehlen, Landbote, 22.4. von Melanie Kollbrunner


Der Regierungsrat stösst die Schulbehörden vor den Kopf: Seine Sparpläne betreffen die rund 700 Schulleiter des Kantons Zürich. Diese sollen ab 2019 bei den Gemeinden angestellt werden. Heute stammen 20 Prozent der Schulleiterlöhne aus der Kantonskasse, 80 Prozent bezahlen die Gemeinden.

Hört man sich in der Region um, trifft man auf Unverständnis. «Das ist keine Sparmassnahme, das ist eine schlichte Abwälzung auf die Gemeinden», sagt Markus Ruf, Schulpflegepräsident in Neftenbach. «Gespart wird da kein Rappen.»

«Schlicht unseriös»
Markus Ruf beobachtet auch in anderen Bereichen ein Abschieben der finanziellen Verantwortung des Kantons: «Es heisst ja immer, die Flüchtlinge seien Kantonssache. Wer aber den Unterricht der Flüchtlingskinder bezahlt, sind die Gemeinden.»

Roman Arnold, Präsident der Primarschulpflege in Elsau, sieht den Sinn der Kostenverlagerung ebenfalls nicht. Was ihn aber besonders irritiert, ist der Zeitpunkt: «Die Führungsstrukturen in einer Phase zu ändern, in der einerseits der neue Berufsauftrag der Lehrpersonen und andererseits der Lehrplan 21 eingeführt und umgesetzt wird, erachte ich als wenig zielführend und schlicht unseriös», sagt er.

«Das setzt sich allem entgegen, was wir in den letzten Jahren an Kantonalisierungen über uns ergehen lassen mussten», bestätigt Esther Fuhrer, Präsidentin der Primarschulpflege Pfungen. «Erst die Kindergärtner, dann die Lehrer mit Pensen unter zehn Wochenstunden.»

Regelwerk des Kantons
Markus Nef, Präsident der Schulpflege Hettlingen, geht noch weiter: «Der Kanton hat die Kleinstpensen an sich gerissen, um Kontrolle über alle Anstellungsbedingungen zu haben.» Für den Schulpsychologischen Dienst werde neu vorgeschrieben, dass dieser in einen grösseren Verbund eingebracht werden müsse, damit ein besserer Austausch erfolgen könne.

«Erst letzte Woche wurde ich aufgefordert, dem Volksschulamt die verantwortliche Person für Sonderpädagogik zu nennen, damit neu Statistiken in diesem Bereich erhoben werden können. Wir erwarten eine erneute Regelflut.» Dass ausgerechnet die gleiche Behörde nun die Anstellung der Schulleitenden an die Gemeinden delegiere, mache schlicht keinen Sinn. «Mit diesem Schritt werden die Schulleitenden in den Regen gestellt.»

Auch Res von Ballmoos, Präsident der Sekundarschulpflege Elgg, hat kein Verständnis «für diese reine Verlagerung», wie er sagt. Ohnehin würde der Vorschlag des Regierungsrats die Anstellungsverhältnisse der Schulleiter unnötig erschweren: «Am Ende haben sie zwei Verträge, einen bei der Gemeinde und einen beim Kanton», schliesslich seien die Schulleiter oft auch Lehrer.

Allerdings sieht er finanziell keine Überforderung: «Für die grösseren Gemeinden ist das machbar», sagt von Ballmoos, der als Leiter der Sekundarschule Seuzach auch die dortigen Verhältnisse kennt: Bei einem Budget von siebeneinhalb Millionen Franken falle der Mehraufwand nicht drastisch ins Gewicht. Marco Calzimiglia, Präsident derPrimarschulpflege in Seuzach, spricht von einem fünfstelligen Betrag im Falle Seuzachs.
Was ihn mehr als diese Summe ärgert: «Wenn der Kanton diktiert, was wir zu tun haben.» Damit müsse wirklich Schluss sein, wenn die Gemeinden künftig alleine für die Löhne der Schulleiter aufkämen.

Konkurrenzsituation
Weiter befürchtet Calzimiglia eine Konkurrenzsituation zwischen den Gemeinden: «Wer sich höhere Löhne oder mehr Stellen leisten kann, steht im liberalisierten Markt schlicht besser da», sagt er. Für Seuzach etwa sei ein solcher Luxus denkbar. Wenn aber anderenorts gespart werde, dann würden mehr Aufgaben auf die Lehrer fallen, die sich dann weniger auf ihren Unterricht konzentrieren könnten. «Im schlimmsten Fall führt das zu unterschiedlichen Niveaus des Unterrichts.»

«Die Leidtragenden sind am Ende die Schüler», bestätigt Sarah Knüsel, Präsidentin des Verbands der Schulleiter des Kantons Zürich, die ihren Berufsstand in arger Bedrängnis sieht (siehe Interview rechts).

«Die Rolle der Schulleiter ist tatsächlich in gewissen politischen Kreisen umstritten», sagt Jörg Kündig, Präsident desGemeindepräsidentenverbands. «Die SVP sieht hier tatsächlich Sparpotenzial.»

Kantonsrat wird entscheiden
Für Kündig steht im Zentrum der Diskussion, dass die Gemeinden mehr Entscheidungsspielraum erlangen. «Es darf nicht nur ein Kostentransfer sein. Es muss ein Kompetenzentransfer stattfinden.» Dann sei diese Übertragung der finanziellen Verantwortung zwar noch immer schmerzhaft, würde aber entdramatisiert.
Die Gemeinden sollen seiner Meinung nach autonom über folgende Fragen bestimmen dürfen: «Wollen wir Schulleiter?», «Was sollen sie verdienen?», «Wie sollen die Anstellungsbedingungen genau aussehen?». Die Schulleiter, so Kündig, sollen vollumfänglich der Schulbehörde unterstellt sein. «Wer zahlt, befiehlt.»

Er gehe allerdings nicht von einer starken Stellenreduktion aus, zumal die Schulleiter nicht mehr wegzudiskutieren seien: «Sie haben sich weitgehend etabliert.» Auch glaubt Kündig nicht daran, dass ein potenziell steigender Druck zu aufkeimenden Diskussionen um Schulgemeindefusionen führen würde – «Niemand wird ein Interesse daran haben, Schulgemeinden getrennt von politischen Gemeinden zu fusionieren.» Über die Umsetzung der Regierungsratspläne wird der Kantonsrat entscheiden.


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