Ich habe mich während der
letzten zwei Jahre intensiv mit dem Fremdsprachenerwerb in der Primarschule und
dem Französisch-Lehrmittel «Mille Feuilles» (M.F.) befasst. M.F. wirkt
äusserlich ansprechend und die Kinder haben zunächst ihren Spass. Leider verfliegt
die anfängliche Freude bei vielen Kindern rasch und weicht einer Enttäuschung.
Die Kinder geben an, «nichts mehr zu verstehen». Die erste Fremdsprache mutiert
zu einem unbeliebten Fach. Das war zum Teil auch früher so, nur hatte man
damals wenigstens einen Grundwortschatz, einige Grammatikregeln und Kenntnisse
über die Konjugation von Verben im Gepäck – heute ist das Gepäck sehr
leicht, weil kaum etwas im Gedächtnis haften kann.
Leserbrief, Basler Zeitung, 4.4. von Elisabeth Deppeler-Schlegel
Man wird mir entgegenhalten,
dass die Lehrpersonen noch nicht die adäquate Ausbildung zum Unterrichten
haben. Für mich liegt der Hase an einem anderen Ort begraben. Während meiner
34-jährigen Tätigkeit im schulischen Bereich erlebte ich viele Reformen im
Schulwesen. Und immer wieder konnte ich den gleichen Mechanismus beobachten:
Ein in Studien belegtes Faktum wurde ohne Beachtung des Kontextes und der
Rahmenbedingungen implementiert. Im Falle der neuen Sprachdidaktik heisst das
zugrunde gelegte Axiom, dass junge Kinder problemlos mehrere Sprachen erwerben
können. Voraussetzung dazu ist, dass das Kind intensiv mit dieser Sprache
konfrontiert ist.
Interessanterweise
sind zwei Fehlannahmen getroffen worden. Erstens geht es in diesen Studien vor
allem um Klein-und Vorschulkinder und nicht um Primarschüler, die ein anderes
Lernverhalten zeigen, und zweitens ist aus dem sogenannten «Sprachbad» ein
«Sprachpfützchen» geworden. Das kann nicht gutgehen – und leider sind wie
bei vielen Reformen die am meisten Benachteiligten die schulleistungsschwachen
Kinder. Ein weiterer unschöner Nebeneffekt ist, dass die Lektionen in den
Fremdsprachen zulasten von anderen Fächern gehen.
Etwas
ist über all die Jahre gleich geblieben: Die wichtigste Motivation zum Lernen
ist eine gute Beziehung zur Lehrperson. Weshalb wird das Geld nicht für
Weiterbildungen in Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit von Lehrern
verwendet? Es wäre gut angelegtes Geld im Gegensatz zum Geld, das für ein
Experiment, das aller Voraussicht nach zum Scheitern verurteilt ist, ausgegeben
wird.
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