Die Schulleitung der Sekundarschule Therwil BL erlaubt es muslimischen Buben, die Hand der Lehrerin bei Unterrichtsbeginn und Ende nicht schütteln zu müssen. Das ist nicht im Sinn des Lehrervereins Baselland.
An der Sekundarschule Therwil gibt es Sonderregeln für muslimische Buben, Bild: Nicole Nars-Zimmer
Händedruck spaltet Schweizer Muslime, Schweiz am Sonntag, 3.4. von Patrik Müller
Die Frage von «Arena»-Moderator Jonas Projer war
unmissverständlich: «Muss man es akzeptieren, wenn ein Schüler sagt, er wolle
der Lehrerin die Hand nicht geben?» Vom Präsidenten der Föderation islamischer
Dachorganisationen (Fids) hätte man eigentlich ein klares «Nein» erwartet. Denn
der wichtigste Muslim-Verband der Schweiz gilt als gemässigt und liberal. Doch
Montassar Benmrad, erst seit vergangenem Sommer im Amt, wich der Frage
vorgestern Freitagabend zuerst aus. Nachdem Projer sie wiederholt hatte, antwortete
Benmrad: «Ja und nein.» Dann ergänzte er: «Ich würde sagen, eher nein. Auf der
anderen Seite, wenn jemand solche Sachen sagt, würde ich eher mit ihm
diskutieren.»
Der
oberste Muslim im Land präzisierte gestern gegenüber der «Schweiz am Sonntag», er
selber gebe Frauen die Hand und empfehle es den muslimischen Schülern
ebenfalls, um Respekt gegenüber den Lehrpersonen zu zeigen. Benmrad wirbt aber
um Geduld mit Muslimen, die es anders halten und denken, dass es respektvoll
sei, die Hand eben gerade nicht zu geben. «Mit solchen Schülern sollte man den
Dialog suchen», sagt Benmrad, «und ihnen erklären, dass es in der Schweiz ein
Zeichen von Respektlosigkeit sei, die Hand nicht zu geben».
Eindeutig
ist die Meinung von Emine Sariaslan. Sie ist Präsidentin des Forums für die
Integration der Migrantinnen und Migranten, will ihre Aussagen aber als
Privatperson machen. «Die Regeln an einer Schule und überhaupt in unserer
Gesellschaft sollten für alle gelten.» Sie erlebe es an Schulen immer wieder,
dass muslimische Kinder in einen Loyalitätskonflikt kämen, wenn sich die Regeln
des Elternhauses von jenen der Schule unterscheiden. «Aber den Kindern ist mit
Sonderregeln an Schulen nicht geholfen.»
Aus
welchen Gründen Oberstufenschüler den Händedruck ablehnen, erklärt M. Muhammad
Hanel, Mediensprecher der Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich
(VIOZ). In einem Blog legt er ausführlich dar, was für das Berührungsverbot
spreche: Es gehe um Höflichkeit, um Respekt und auch um «Hochachtung vor der
selbstbestimmten Souveränität jedes Individuums». Bezogen auf die Schule
ergänzt er: «Diese Regelung der höflichen Zurückhaltung gilt nicht für Kinder
(Knaben oder Mädchen), sondern für adoleszente Menschen beiderlei Geschlechts.
Also für geschlechtsreife junge Frauen und Männer gleichermassen in Hinblick
auf das jeweils andere Geschlecht.»
Während
die Debatte in der «Arena» nur theoretisch geführt wurde, gibt es im Kanton
Baselland einen konkreten Rechtsfall: An der Sekundarschule Therwil BL
weigerten sich zwei muslimische Schüler, ihrer Klassenlehrerin die Hand zu
geben, worauf die Schulleitung eine «Vereinbarung» traf, wonach sie der
Lehrerin die Hand nicht schütteln müssen. Die Öffentlichkeit wurde darüber
bislang nicht informiert, die Schulleitung teilt auf Anfrage der «Schweiz am
Sonntag» mit, sie könne erst morgen Montag dazu Stellung nehmen. Einen
ähnlichen Fall gibt es in Muttenz BL. Widerstand kommt vom Berufsverband der
Baselbieter Lehrpersonen: Michael Weiss, Geschäftsführer des Lehrervereins
Baselland LVB, hält die Therwiler Vereinbarung für einen Fehler: «Sie ist nicht
in unserem Sinn.»
Die
Schulleitung hat das kantonale Bildungsdepartement eingeschaltet. Sie erhofft
sich vom Kanton Hinweise, wie man mit Handschlag-Verweigerern umgehen soll. Der
Kanton arbeitet an einem Gutachten. Die zuständige Regierungsrätin Monica
Gschwind (FDP) will sich nicht näher äussern, sondern sagt nur, ihr sei der
Fall einer Schule bekannt.
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