11. Oktober 2015

Lehrplan 21: Wo bleibt der Widerstand von links?

In der ganzen Schweiz regt sich Widerstand gegen das neoliberale Konstrukt „Lehrplan 21“. Erstaunlicherweise fehlt jedoch der Widerstand von links, obwohl die WoZ immer wieder über kritische Stimmen von links berichtete. Zwei Beispiele: Die Bildungsgruppe des linken Thinktanks Denknetz lehne den LP 21 kategorisch ab, weil er sich vom emanzipatorischen Bildungsverständnis verabschiede und es nur noch um die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Menschen gehe. Gemäss dem Lehrplanforscher Prof. Rudolf Künzli entmündige der LP21 die Lehrpersonen.
Leserbrief, Widerstand gegenden Lehrplan 21, von Peter Aebersold

Tatsächlich ist der Lehrplan 21 ein neoliberales Projekt, das von transnationalen Organisationen wie der Weltbank, der Welthandelsorganisation (WTO) oder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) diktiert wird. Er ist Türöffner für den Zugriff der globalen Bildungskonzerne auf die staatliche Volksschule, wie er durch die WTO-Verträge (GATS) und durch TiSA (Trade in Services Agreement) geplant ist.
Der Lehrplan 21 will unser bewährtes Schulsystem auf dem Kopf stellen. Er fordert schweizweit flächendeckend „offene Lernformen“ („selbstorganisiertes“, „individuelles Lernen“), bei denen der Schüler bestimmt, was wie wann und ob er überhaupt lernen will. Deshalb darf der Lehrer keinen Klassenunterricht mehr machen und kein Wissen vermitteln. Er wird zum Lernbegleiter degradiert, der nur noch Arbeitsblätter und Wochenpläne erarbeitet und "Lernumgebungen" zur Verfügung stellt. Mit den "offenen Lernformen" werden die mittleren und schwachen Schüler als Einzelkämpfer allein gelassen, die Stofflücken werden immer grösser und die Chancen einen Beruf erlernen zu können, immer kleiner. Es findet eine stille Selektion bereits ab der ersten Klasse statt, die Chancengleichheit wird ausgehebelt und die Weichen zur Zweiklassengesellschaft gestellt.
Die dem Lehrplan 21 zugrunde liegenden „Kompetenzen“ werden im Pisa-Test der Wirtschaftsorganisation OECD abgefragt und bestimmen so Ausrichtung, Inhalt und Niveau der Lehrpläne. Damit dringt der harte, profitorientiere Konkurrenzkampf der globalisierten Wirtschaft in Schule und Elternhaus und stört ein ruhiges Lernen und unbeschwertes Aufwachsen unserer Kinder.

Mit dem Lehrplan 21 wird die Methodenfreiheit praktisch abgeschafft: An einer Schulleitertagung im Kanton Thurgau wurde dasamerikanische Überwachungsinstrument „Classroom walkthrough“ vorgestellt, mit dem die Schulleiter sicherstellen können, dass die Lehrer keinen Klassenunterricht mehr machen: Der Schulleiter führt jährlich zehn bis fünfzehn kurze, nicht angekündigte Unterrichtsbesuche durch, ohne anzuklopfen, ohne Begrüssung und ohne Verabschiedung. Auf dem Beobachtungsbogen notiert er u.a., ob der Lehrer „offene Lernformen“ anwendet oder nicht. Überwachungsstaat in der freien Schweiz?

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