20. März 2015

Lehrplan 21 ein Burnout-Programm?

Die Stimmung bei den Baselbieter Lehrern ist geladen - insbesondere der Lehrplan 21 wird vom Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland förmlich zerfetzt. 




LVB fordert eine tabulose Kosten-Nutzen-Analyse von Bildungsreformen, Bild: Nils Fisch

Baselbieter Lehrer bezeichnen Lehrplan 21 als "Burnout-Programm", Tages Woche, 19.3. von Lucas Huber



Das Verabschieden von Resolutionen hat eine lange Tradition an den Versammlungen des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland (LVB). Das sei keine Vereinsfolklore, sagte Vereinspräsident Roger von Wartburg, sondern erfolgreiches Mittel zum Zweck. Immerhin habe man dank dieses Mittels kürzlich einen Beitrag von 2,6 Millionen Franken aus dem Harmos-Topf für die Fortbildung von Pädagogen zugesprochen bekommen.
Auch am Mittwochabend, an der Delegiertenversammlung des LVB in Muttenz, reckten sich die Stimmkarten in die Höhe, als es darum ging, per Resolution auf die Leiden der Lehrkräfte aufmerksam zu machen. «Keine weitere Verschlechterung der Anstellungsbedingungen» fordern sie da – mit Ausrufezeichen. Und: «Ein Moratorium für Bildungsreformen als Beginn einer Phase der Konsolidierung und einer Kosten-Nutzen-Analyse», ebenfalls mit Ausrufezeichen. Präsident von Wartburg fügte noch «tabulos» hinzu.
Schulreformen «zu viel des Guten»
Genau diese «tabulose Kosten-Nutzen-Analyse» steht ganz oben auf dem Wunschzettel des LVB. Der hält nämlich die Schulreformen für «zu viel des Guten» und die Lehrkräfte für die Leidtragenden. Aufgrund nicht gewährter Teuerungsausgleiche sei ihnen seit 1998 ein Lohnverzicht von fast 170 Millionen Franken untergejubelt worden. «Noch mehr Arbeit geht nicht. Der Berufsauftrag ist überfüllt», sagte von Wartburg, «und von einer fünften Ferienwoche wollen wir schon gar nicht mehr sprechen.»
Die angespannte Finanzlage des Baselbiets führt zu weiteren Befürchtungen. Trotzdem gelte es nun, die Vorhaben an die Schulrealität anzupassen und die Bildungswissenschaftler in die Schranken zu weisen: «Wir dürfen die Deutungshoheit nicht länger Experten überlassen, die mit dem Schulalltag nichts zu tun haben», verkündete der Präsident und schob ein Versprechen nach: «Der LVB wird unbequem bleiben.»
Lehrplan 21 sei ein «Burnout-Programm»
Und dann kam der Lehrplan 21. Immerhin ist er das wohl meistdiskutierte Papier der vergangenen Jahre, und das nicht nur im Raum Basel. Der Entwurf hinsichtlich des Übergangs vom Kindergarten in die Primarschule, der speziell für erhitzte Gemüter sorgt, wurde als «Burnout-Programm für Kindergärtnerinnen und Unterstufenlehrer» umschrieben. Und das sei weder Schwarzmalerei noch Fantasterei.
Und die Fremdsprachen-Weiterbildung? Auch hier: erhitzte Gemüter – und klare Worte: «Für den LVB ist es ein No-Go, dass eine Lehrperson mit universitärem Abschluss, mehrmonatigem Auslandaufenthalt und vielen Jahren Berufserfahrung eine Weiterbildung besuchen muss und sonst ihre Unterrichtungsberechtigung verliert», betonte von Wartburg. Das Ziel sei eine Redimensionierung der Weiterbildung und eine Überarbeitung des Konzepts. Eine Evaluation ist für das Schuljahr 2015/2016 anberaumt, worüber sich der LVB explizit freut.
Unauffällige Gäste und ein paar Tipps
Dass im Übrigen auch die beiden Bildungsdirektoren der Landschaft, der aktuelle, Urs Wüthrich, und die designierte, Monica Gschwind, zugegen waren, fiel kaum auf. Beide wurden sie mit Applaus begrüsst, sprachen kurz zur Versammlung, kurz: waren da. Jedenfalls bis Wüthrich – gepackte Koffer neben dem Stuhl – vorzeitig nach Strassburg abreisen musste.


Er hörte nicht mehr, wie der Psychologe Allan Guggenbühl Schalk und Unfug für den Unterricht forderte. Der Professor der Pädagogischen Hochschule Zürich erachtet den Unterricht als halbchaotischen Vorgang, fordert Witz und Blödeleien, «denn Lernen ist nichts Nüchternes: Es ist ein emotionaler Prozess.» Und die Schule ein Container für den emotionalen Abfall ihrer Schülerschaft.

3 Kommentare:

  1. Der Präsident des LVB - Roger von Wartburg - schreibt:
    Sehr geehrter Herr Huber

    Ich sehe mich veranlasst, eine Präzisierung vorzunehmen: Ein Geschäftsleitungsmitglied des LVB - selber auf der betreffenden Schulstufe tätig - hat an dieser Veranstaltung zum Ausdruck gebracht, dass der Entwurf der geplanten kantonalen Umsetzung des neuen Lehrplans im Bereich Kindergarten-Unterstufe sich aus ihrer Sicht wie ein Burnoutprogramm lese - weil er zu viele verschiedene Komponenten beinhalte, die aufgrund der bestehenden Schulrealitäten so nicht leistbar seien.

    Der Titel dieses Artikels ist daher irreführend, weil der Lehrplan 21 als solcher gestern gar nicht Thema der Versammlung war. Dementsprechend konnte er auch nicht "förmlich zerfetzt" werden. Die rund 200 anwesenden Gäste werden dies gerne bestätigen.

    Im Weiteren habe ich mich gestern zur Fremdsprachenweiterbildung nicht geäussert, das Thema wurde von einem anderen Geschäftsleitungskollegen präsentiert.

    Roger von Wartburg, Präsident LVB

    P.S. In meinen einleitenden Worten wies ich gestern explizit darauf hin, wie schwierig es sei, in der medialen Aufbereitung von Bildungsthemen differenziert wahrgenommen zu werden.

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  3. Aufgrund der selektiven Berichterstattung des Journalisten ist es nicht möglich, die Zusammenhänge zu erschliessen. Dass sich Lehrpersonen regelmässig weiterbilden, ist für den LVB eine Selbstverständlichkeit.

    Das Problem liegt woanders. Die Verantwortlichen des Megaprojektes “Passepartout”, das bisher alleine in BL und BS 12.5 Mio verschlungen hat, verordnen in ihrer Begeisterung eine Weiterbildung, die 12mal (!) länger dauert als bisherige vergleichbare Fortbildungen.

    Erstaunlich, können die Passepartout-Promotoren doch keine aussagekräftige Wirkungsstudie vorweisen, die belegen könnte, dass die revolutionäre Didaktik der Mehrsprachigkeit in der Realität auch tatsächlich funktioniert. Man stelle sich einen Pharmakonzern vor, der ein neues - angeblich überlegenes - Medikament ohne ernstzunehmenden Wirkungsnachweis auf den Markt bringt und Ärzten und Apothekern in umfangreichen Weiterbildungskursen erklärt, dass ab sofort nur noch das neue Medikament eingesetzt werden dürfe. Gewöhnungsbedürftig, zumal die gleiche Zulassungsbehörde Ärzten versichert, dass sie auch ohne Ausbildung problemlos als Zahnarzt arbeiten könnten.

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