28. Februar 2015

Nationalhymne obligatorisch?

An Genfer Primarschulen soll die Nationalhymne zum obligatorischen Schulstoff werden. Das Parlament hat einen entsprechenden Auftrag überwiesen. Das letzte Wort hat nun die Regierung.



Eignet sich eine religiöse Hymne für einen säkularen Staat? Bild: Lukas Lehmann
Nationalhymne obligatorisch für alle, 20 Minuten, 23.2. von Ph. Flück


«Trittst im Morgenrot daher, seh' ich dich im Strahlenmeer.» Auf diesen Vers folgt beim Singen der Nationalhymne oft nur noch halblautes Summen: Die wenigsten Schweizer kennen den vollständigen Text der Schweizer Nationalhymne.
Dies will nun die Genfer SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz ändern: An Genfer Primarschulen soll das Lernen der Nationalhymne Pflichtstoff werden. Ein entsprechender Antrag wurde am Freitag im Grossen Rat des Kantons Genf mit 46 Stimmen gegen 36 und 4 Enthaltungen durchgewinkt, wie die Zeitung «Le Matin» berichtet.
«Auch schweizweit sinnvoll»
Auch auf nationaler Ebene würde Amaudrauz ein solche Pflicht sinnvoll finden: «Ich bin klar dafür, dass jeder Kanton die Nationalhymne in seinen Schulplan aufnimmt.» Wichtig sei aber, dass jeder Kanton dies selbstständig entscheiden könne, wie es sich in einem föderalistischen Land gehört.
Unterstützung erhält Amaudruz von Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri: «Für das Zusammengehörigkeitsgefühl wäre es sehr wichtig, wenn schweizweit die Nationalhymne zum Schulplan gehören würde.» Natürlich sei die Schweiz ein föderalistischer Staat, doch hier dränge sich eine nationale Lösung auf – schliesslich sei die Nationalhymne von nationaler Bedeutung.
Religiöse Stellen passen nicht zu sakulärem Staat
Neben der SVP stimmten auch die FDP und das Mouvement Citoyen Genevois (MCG) für die Einführung der Nationalhymne als Pflichtstoff in der Primarschule. «In den meisten anderen Ländern kennt man den Text der eigenen Nationalhymne. Ich verstehe nicht, wieso es in der Schweiz anders sein soll», begründete Amaudruz ihren Antrag.
Gegen das Vorhaben stellte sich der SP-Abgeordnete Roger Deneys: «Man will damit das Zeichen senden, dass man nur ein gut integrierter Schweizer ist, wenn man die Nationalhymne auswendig kann.» Dabei habe es überhaupt keine Bedeutung, ob man die Nationalhymne auswendig könne oder nicht. Auch die CVP ist gegen das Singen der Nationalhymne in der Schule. Die Partei stört sich ausgerechnet an den religiösen Stellen im Text. Diese würden nicht zu einem säkularen Staat passen.
«Schweizer schämen sich für ihre Wurzeln»
Die Leiterin der Erziehungsdirektion des Kantons Genf, Anne Emery-Torracinta (SP) findet, der Antrag sei gar nicht nötig: «Das Singen der Nationalhymne ist schon jetzt Teil des Lernprogramms der Primarschulen.» Deshalb würde bei einer Durchsetzung des Vorschlags überhaupt nichts ändern.
Daran zweifelt der SVP-Abgeordnete Stéphane Florey allerdings: Von seinen fünf Kindern habe kein einziges in der Schule die Nationalhymne auswendig gelernt. Ihm schliesst sich Francis Valentin (MCG) an: Auch seine zwei Töchter hätten die Nationalhymne in der Primarschule nie gelernt. «Ich habe das Gefühl, dass wir uns für unsere Wurzeln schämen.»
Das letzte Wort über die Einführung der Nationalhymne als Pflichtstoff in der Primarschule wird nun der Genfer Regierungsrat haben.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen