Streik am Dienstagnachmittag - in der Deutschschweiz in den meisten Kantonen nicht vorstellbar, Bild: SRF
Genf im Streik: Keine Schule, Polizei, ÖV, SRF, 16.12. von Thomas Gutersohn
Die Genfer Schüler wird es freuen. Einige haben am Dienstagnachmittag
keinen Unterricht. Denn ihre Lehrer gehen auf die Strasse.
Der Kanton muss sparen und gleichzeitig 300 neue Stellen in Schulen und
Gefängnissen schaffen. Eine Rechnung, die für die Regierung nur aufgeht, wenn
man die jährlichen Lohnerhöhungen des Personals streicht.
Um den Schuldenberg von über 12 Milliarden Franken in den Griff zu
bekommen, müsse man die Ausgaben reduzieren, sagte der Genfer
Regierungspräsident François Longchamp. Dass die Löhne der Angestellten der
Öffentlichen Dienste nächstes Jahr gleich bleiben, sei nicht schlimm, fährt er
fort.
An der Einnahmenseite schrauben
Das sehen die Gewerkschaften anders. Sie stören sich daran, dass man an
den Ausgaben schraubt, nicht aber an den Steuereinnahmen, sagt Davide de
Filippo von der Gewerkschaft für das Staatspersonal. Deswegen gingen sie heute
Nachmittag auf die Strassen.
Nur ein Monat ist es her, seit die Angestellten des Öffentlichen
Verkehrs streikten, auch damals wegen Budget-Kürzungen. Sind die Genfer Funktionäre
nun auf den Geschmack gekommen? Ja, meint der Gewerkschafter De Filippo – auch
wenn die Lehrer wohl nicht ganz so konsequent streiken würden wie die
Chauffeure.
Streikende Staatsangestellte: Es scheint als sei der Arbeitsfrieden in
Genf gefährdet. Sozialpartnerschaften seien ein Mythos. Soziale
Errungenschaften seien nur dank Streiks erreicht worden, sagt De Filippo.
Die Fronten sind in Genf verhärtete. Der Grund dafür sei nicht unbedingt
die Lohndebatte, meint Ivan Slatkin, der für die FDP in der Finanzkommission
sitzt.
Vor vollendete Tatsachen gestellt
Das Problem sei, dass die Regierung die Angestellten vor die Fakten
stelle, und nicht über die Lohnerhöhungen diskutieren wolle. Dennoch ein Streik
ist auch für Slatkin übertrieben. Oder vielleicht doch nicht, überlegt er, weil
der Streik eben das einzige Mittel der Staatsangestellten sei, um sich bei der
Regierung Gehör zu verschaffen.
Slatkins Zögern zeigt das Unbehagen der FDP – der Genfer
Regierungspartei – mit diesen Protesten. Das meint auch der Wirtschaftssoziologe
Daniel Oesch: «Die FDP ist die grösste Partei im Parlament in Genf, ist die
dominierende Partei im Regierungsrat. Und sie hat den Draht zu den
Staatsdienern verloren.» Deshalb wehren die sich nun auf der Strasse.
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