Der Druck der Basis der Lehrerschaft in den Kantonen sorgt dafür, dass sich auch beim Dachverband LCH etwas bewegt. Die Forderung nach nur einer obligatorischen Fremdsprache in der Primarschule gehört zu einer der Hauptforderungen im Zusammenhang mit der Konsultation des Lehrplans 21. Dieser sei in der jetzt vorliegenden Form unbrauchbar und müsse entschlackt werden.
Bald ein Ende mit dem Frühfranzösisch? Bild: Keystone
Die Schweizer Lehrerverbände
sind sich einig: Das Obligatorium für zwei Fremdsprachen an der Primarschule
gehört abgeschafft. Dies hat die Präsidiumskonferenz des Dachverbandes
Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) am Freitag an ihrer Versammlung beschlossen,
wie Präsident Beat Zemp bestätigt. An der Tagung haben die über 80 Vertreter
von 33 Mitgliederorganisationen des LCH ihre Stellungnahmen zum Lehrplan
21 auf einen gemeinsamen Nenner gebracht. Nächste Woche werden die 10
Forderungen publiziert. Die Reduktion auf eine obligatorische Fremdsprache
gehört dazu.
Damit verschärft der
LCH seine Haltung in der Sprachenfrage. Noch im Frühling hat er eine
Reduktion des Obligatoriums nur für den Fall gefordert, sollten sich die
Bedingungen des Sprachunterrichts nicht verbessern, insbesondere die
personellen Ressourcen in diesem Bereich. Nun reagiert der LCH auf die
Entwicklung in mehreren Schweizer Kantonen, in denen das Frühfranzösisch mit
Initiativen oder parlamentarischen Vorstössen bekämpft wird - etwa im Thurgau,
in Graubünden, in Nidwalden und Luzern. Auch im Zürcher Kantonsrat wurde das
Frühfranzösisch infrage gestellt.
Die Präsidentin des Zürcher
Lehrerverbands, Lilo Lätzsch, kann sich eine Reduktion des
Sprachenobligatoriums auf Primarstufe ebenfalls vorstellen. «Wenn man eine
Sprache fakultativ macht, muss aber die gewonnene Zeit in den Deutschunterricht
investiert werden», fordert sie. Entscheidend sei vor allem, was die Schüler am
Ende der Schulzeit können. Da gehöre Französisch dazu, weil es in der Hälfte
aller Berufe vorausgesetzt werde: «Man darf die Jungen nicht von fünfzig
Prozent der Berufe ausschliessen», sagt Lätzsch.
Die
Luzerner Lehrerinnen und Lehrer hatten der Präsidiumskonferenz des LCH am
Freitag sogar den Antrag gestellt, die Reduktion der Fremdsprachen an der
Primarschule mittels Volksinitiative durchzusetzen. Dies wurde abgelehnt. «Dazu
ist es noch zu früh», sagt Zemp. Er will zuerst schauen, inwieweit die
Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK) die LCH-Stellungnahme
zum Lehrplan 21 berücksichtigt. Zudem läuft derzeit noch die Übergangsfrist für
die Umsetzung des Harmos-Konkordats. Diese dauert bis 2015. Laut Zemp muss bis
dann auch die Sprachenfrage gelöst sein. Ihn stört, dass nicht alle Deutschschweizer
Kantone mit der gleichen Fremdsprache beginnen, nahe der Sprachgrenze kommt das
Französisch zuerst, in der Ostschweiz das Englisch. «Sollte sich die Situation
nicht bessern, schliessen wir eine nationale Volksinitiative nicht aus», sagt
er.
Kritisch
äussern sich die Lehrer in ihrer Stellungnahme auch zum Umfang des Lehrplans
21. Dieser listet mehrere tausend Kompetenzen auf, welche die Kinder und
Jugendlichen bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit erwerben müssen. «Es
sind zu viele und zu anspruchsvolle Ziele», sagt Zemp. «Der Lehrplan muss
entschlackt werden, sonst verkommt er zum Papiertiger.» Denkbar wäre etwa, nur
einen Teil der Ziele für obligatorisch zu erklären. Man müsse nicht gerade
zurück auf Feld eins, doch brauche es eine gründliche Überarbeitung des
Lehrplans.
Zumindest diese Forderung
scheint nicht chancenlos. Christian Amsler, der Schaffhauser Erziehungsdirektor
und Präsident der D-EDK, sagt: «Sollte sich tatsächlich zeigen, dass der
Lehrplan überladen ist, müssen wir noch einmal über die Bücher.» Grundsätzlich
wäre er offen für eine Unterteilung in sogenannte A- und B-Stoffe. Dann aber
könnte der ehrgeizige Zeitplan nicht eingehalten werden. Dieser sieht vor, dass
der Lehrplan im Herbst 2014 den Kantonen zur Einführung übergeben wird. «Zuerst
aber müssen wir die Konsultation abwarten und Bilanz ziehen.»
Kein Verständnis hat Amsler für
die Haltung der Lehrer in der Sprachenfrage. «Wir befinden uns noch immer in
der Einführungsphase der beiden Fremdsprachen an der Primarschule.» Er plädiert
für Gelassenheit. Man könne nicht schon wieder alles über den Haufen werfen.
Und: «Es sind doch gerade die Lehrer, die mehr Ruhe und weniger Reformen
fordern», sagt der D-EDK-Präsident.
Quelle: Kampfansage der Lehrer, NZZaS, 17.11. von René Donzé
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