Der Lehrer-Dachverband fordert eine Redimensionierung des Lehrplans 21 und weitere Harmonisierungsschritte
Grundsätzlich stösst der
Lehrplan 21 beim Dachverband der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) auf
Zustimmung. Dieser begrüsst namentlich die Orientierung an Kompetenzen und den
Aufbau in drei Zyklen. Sodann würdigen die Lehrpersonen die visuelle
Aufbereitung, die digitale Verfügbarkeit und geben der Einteilung in sechs
Fachbereiche gute Noten. Die Kritik setzt beim Umfang ein: Der neue Lehrplan
sei überladen und müsse abgespeckt werden, heisst es in einer Mitteilung des
LCH vom Donnerstag.
Der LCH regt deshalb eine
Reduktion der Anzahl Kompetenzen an. Die Kinder könnten die Anforderungen in
den einzelnen Fachbereichen zwar bewältigen, nicht aber das Gesamtpaket und
nicht in der zur Verfügung gestellten Zeit. Es gelte - auch wegen mangelnder
Infrastrukturen und fehlender Ausbildung der Lehrpersonen -, ein Pflicht- und
ein Kürprogramm zu definieren. Nicht einverstanden ist der LCH zum Teil auch
mit dem Inhalt. Die Rede ist etwa vom Kindergarten, wo aufgrund der hohen
Anforderungen und des Fehlens des freien Spiels Leistungsdruck und Verschulung
befürchtet werden.
Aus Sicht des
Lehrerverbands sind die Mindestansprüche, die es zu erreichen gilt, zu wenig
klar umschrieben. Zwischen den Kantonen sei insbesondere zu klären, was mit den
Kindern bei Nichterreichen der Mindestansprüche passiere. Mit diesem Problem
verknüpft ist die Frage nach Beurteilung und Benotung von Kompetenzen. Hierüber
müssten die Kantone gemeinsame Vorstellungen erarbeiten, besonders auch
hinsichtlich der sozialen und personalen Kompetenzen und in der Bildung für
nachhaltige Entwicklung. Hier wurden von Lehrpersonen deutliche Bedenken
geäussert, etwa, dass Fragen der persönlichen Lebensführung und
Lebenseinstellung niemals schulisch zu bewerten sind. Es sei auch unangebracht,
heisst es in Rückmeldungen, dass Kompetenzen auf Haltungen der Lernenden
zielen.
Der Lehrerverband legt
seinen Finger auf weitere wunde Punkte. So werde der Verfassungsauftrag zur
Harmonisierung der Volksschule nur teilweise erfüllt. Wesentliches sei nicht
harmonisiert, namentlich die Stundentafel, der Fremdsprachenunterricht, die
Schülerbeurteilung, Zeugnisse und die Weiterbildung der Lehrpersonen.
Obligatorisch sei nur noch eine Fremdsprache in der Primarschule zu
unterrichten.
Die Deutschschweizer
Erziehungsdirektorenkonferenz nimmt die Kritik zwar auf, zeigt sich aber
irritiert. «Die Fachlehrpläne wurden von Lehrern und Didaktikern erarbeitet»,
sagt deren Präsident Christian Amsler. Es sei speziell, dass sich der
Lehrerverband so deutlich zu Wort melde. Nun gelte es, das Ende der
Konsultation abzuwarten. Mehrten sich die Stimmen, die eine Redimensionierung
des Lehrplans wünschten, verschliesse man sich Änderungen nicht, sagt der
Schaffhauser Erziehungsdirektor. Er räumt ein, dass bei den Fremdsprachen ein
Problem bestehe, aber es sei ein Abbild des mehrsprachigen Landes. «Es wäre
meiner Meinung nach falsch, nur noch eine Fremdsprache in der Primarschule zu
unterrichten», sagt Amsler und plädiert für die Fortführung des Modells 3/5.
Auf Anfrage sagt der Präsident des LCH, Beat W. Zemp, dass der Verbandsvorstand
aus staatspolitischen Gründen für eine Landessprache als erste Fremdsprache
ist.
Zemp führt den grossen Umfang des Lehrplans 21 darauf zurück, dass
niemand den Gesamtüberblick über das Projekt wahrte. So habe sich das eine zum
anderen addiert. Wichtig ist ihm die Schaffung eines Fachs für die
Berufsfindung, das im dritten Zyklus mindestens 60 Stunden belegen soll. Zemp
ist zuversichtlich, dass die Bildungspolitik dieser Forderung, die auch der
Sicht der Wirtschaft entspricht, noch entgegenkommen wird.Quelle: NZZ, 22.11. von Michael Schoenenberger
Ein Kommentar von Dr. Eliane Gautschi Sonderpädagogin und Schulleiterin.
AntwortenLöschenDer Lehrplan 21 wird meist wegen seines Umfangs und einem angeblich nicht zu erreichenden Niveau kritisiert. Der grosse Umfang des Lehrplans 21 (550 Seiten) verleitet dazu, je nach eigenen Prioritäten in einzelnen Bereichen nach Reduktion zu verlangen. Das zielt am Kern vorbei und ist Teil der Durchsetzungsstrategie: Man kann auf die Einwände in der Konsultation eingehen, ohne Grundlegendes zu verändern! Der Lehrplan 21 ist als Ganzes abzulehnen, weil er ein Paradigmenwechsel ist von einer humanistischen Bildung hin zu utilitaristischen (Aus-) Bildungsanforderungen wie sie im angloamerikanischen Raum üblich sind. Dazu werden die Bildungsinhalte in ihren einzelnen Komponenten zu zerstückelt, die dann als 463 Kompetenzen und 4754 Kompetenzstufen wieder auftauchen. Die Kinder müssen sich daraus möglichst selbstorganisiert „ihre“ Bildung zusammenbasteln. Aber aus Hackfleisch wird kein Filet mehr und das Bildungsniveau wird weiter sinken. Die Lehrperson hat noch Lernumgebungen bereit zustellen und als Coach zu Diensten zu sein. So will es der Konstruktivismus, der als Ideologie hinter dem Lehrplan steht. Konzertiert wird der ganze Vorgang durch bereits hergestellte kompetenzorientierte Lehrmittel und die Pädagogischen Hochschulen, die ihre Studenten bereits heute entsprechend ausbilden.