4. Februar 2017

Unübersichtliche Zuteilung an Sekundarschul-Standorte in Basel

Zurzeit müssen rund 1300 Basler Primarschüler gemeinsam mit ihren Eltern entscheiden, welches der zehn Basler Sekundarschul­häuser sie gerne besuchen würden. Zu diesen Schülern gehört auch meine Tochter.
Die Möglichkeit, wünschen zu können, ist an sich sehr erfreulich. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Zuteilung für die Eltern jedoch als Hindernislauf mit vielen Fallstricken und unbestimmtem Ziel.
Eltern und Schüler werden hängen gelassen, Basler Zeitung, 3.2. von Dina Sambar


Völlig verschiedener Unterricht
Die richtige Auswahl kann die schulischen Leistungen des Kindes stark beeinflussen. Zwar haben alle Schulen dieselben Lernziele, zwischen ihren Unterrichtsformen liegen jedoch Welten. Es gibt Schulen, in denen sich alle Leistungsstufen (A, E und P) gemeinsam in einer Klasse befinden, solche, in denen nebst dieser Niveaudurchmischung zusätzlich die Altersstufen zusammengelegt werden, und jene, in denen Alter und Niveau klassisch getrennt sind. Auch die Art, wie die Schüler unterrichtet werden, unterscheidet sich erheblich. Neben dem herkömmlichen Unterricht gibt es auch Schulhäuser, in denen die Schüler einen beachtlichen Anteil der Lektionen mit selbstständigem Lernen in Ateliers verbringen. An weiteren Schulen wiederum wird in Phasen oder Epochen unterrichtet. Das heisst, dass über einen bestimmten Zeitraum weniger Fächer auf dem Stundenplan stehen, diese jedoch häufiger. In jeder Phase wechseln die Fächer.

Lehrer sollen nicht helfen
In einem der jüngeren Basler Schulblätter heisst es: «Die Suche nach dem passenden Beruf oder der richtigen Schule ist eine herausfordernde Aufgabe.» Hilfe dürfen die Eltern aber nicht erwarten. Die verschiedenen Unterrichtsformen mögen vielleicht gleichwertig sein. Klar ist jedoch, dass es Kinder gibt, für die selbstständiges Lernen ein Segen ist, während andere schwer damit zu kämpfen haben. Es spielt also sehr wohl eine Rolle, in welche Schule ein Kind kommt.

Die Primarlehrer der Kinder dürfen nicht helfen. Sie haben klare Anweisungen erhalten, wie sie gegenüber den Eltern kommunizieren sollen: «Es ist uns ein grosses Anliegen, dass Lehrpersonen erstens keine Standorte empfehlen, zweitens die pädagogischen Modelle der Sekundarschulen weder bewerten noch empfehlen und drittens die Sekundarschulen nicht mit ihren Klassen besuchen», liess die Volksschulleitung vor einem Jahr verlauten. Für vertiefte Informationen gebe es die Informationsabende, die Sekundarschul-Broschüre und die Webseiten der Schulen. Doch in der Broschüre stehen nur generelle Informationen. Und nach dem Besuch des Infoanlasses und dem Sichten der Webseiten weiss man zwar, dass es die verschiedenen Unterrichtsmethoden gibt und welche an welcher Schule angewandt werden, mehr aber auch nicht. So finde ich beispielsweise das neue Lernatelier-Modell sehr inte­ressant, doch ich erhalte nirgends zuverlässige Informationen darüber, ob es sich tatsächlich bewährt oder eine Totgeburt ist. Das Ganze bleibt äusserst abstrakt und kaum greifbar. Trotzdem sollen die Eltern bis am 15. Februar entscheiden, in welchen drei der zehn Basler Sekundarschulen sie ihr Kind gerne sehen würden.

Fordernde und hilflose Eltern
Viele Eltern ergreifen deshalb selber die Initiative und besuchen die Schulen mit ihren Kindern auf eigene Faust, um sich zumindest oberflächlich einen Eindruck zu verschaffen. Zudem kursieren unter den Eltern unzählige Gerüchte über die einzelnen Schulhäuser und ihre Vor- und Nachteile. So sollen Kinder aus «besseren» Quartieren in einigen Schulen bevorzugt werden. Es ist sogar die Rede davon, dass bei der Zuteilung in gewisse Schulhäuser nur die besten Schüler eine Chance haben. In anderen Schulhäusern soll Sodom und Gomorrha herrschen. Solche Gerüchte gibt es immer, bei besserer Information vonseiten der Volksschulleitung hätten sie jedoch viel weniger Gewicht.

Ich habe im Zuge der eigenen Entscheidungsfindung mit zahlreichen Eltern gesprochen. Viele sind etwas ratlos und entscheiden schlussendlich aus dem Bauch heraus. Mehrere Mütter, die vor einem oder zwei Jahren vor demselben Problem gestanden haben, bezeichnen ihren Wunsch rückwirkend als falsch. Ironischerweise sind einige davon auch froh, dass ihrer Wahl damals nicht entsprochen wurde – denn jetzt haben sie dank eigener Erfahrung die Informationen, die ihnen damals fehlten.

Die Desinformation ist wohl nicht ganz ungewollt. Eltern können in ihren Ansprüchen sehr fordernd sein. Nach der allerersten Sek-Einteilung vor zwei Jahren gab es zum Teil heftige Proteste und rund 160 Rückkommensanträge. Mittlerweile hat sich das Einteilungsverfahren etwas eingespielt; es bleibt für die Volksschulleitung jedoch eine enorm knifflige Angelegenheit. Nebst den Standortpräferenzen und den Geschwister- und Gspänli-Wünschen der Schüler müssen die Schulräume ausgenutzt, an jedem Standort alle drei Leistungszüge geführt werden; die Leistungszüge sind möglichst gleichmässig zu verteilen, die maximalen Klassengrössen sollten nicht überschritten werden, der Schulweg soll zumutbar und die Verteilung Mädchen/Knaben und deutsch- und fremdsprachiger Kinder ausgewogen sein. Bei all diesen Kriterien ist klar, dass nicht alle Wünsche der Eltern und Kinder erfüllt werden können.

Absurde Situation
Dies führt zur absurden Situation, dass Eltern und Schüler zwar ankreuzen dürfen, welche drei Schulen sie für geeignet halten, bei der Entscheidungsfindung jedoch keine wirkliche Hilfe erhalten. Haben sie sich dann durch den Dschungel gekämpft und herausgefunden, welche Unterrichtsmethode ihrem Kind am ehesten entspricht, kann es trotzdem passieren, dass es in einer Klasse mit dem genau gegenteiligen Modell landet – oder in ein Schulhaus am anderen Ende der Stadt gehen muss.

Das ganze System der Sekundarschul-Zuteilung ist noch jung und wurde in den ersten zwei Jahren seines Bestehens bereits verbessert. Doch wenn so gegensätzliche Unterrichtsmethoden angewandt werden, muss aus dem Wunsch eine echte Wahl werden – eine Wahl, die man aufgrund von fundierten und greifbaren Informationen treffen kann.


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