Zurzeit müssen rund 1300 Basler Primarschüler
gemeinsam mit ihren Eltern entscheiden, welches der zehn Basler Sekundarschulhäuser
sie gerne besuchen würden. Zu diesen Schülern gehört auch meine Tochter.
Die Möglichkeit, wünschen zu können, ist an sich sehr erfreulich.
Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Zuteilung für die Eltern jedoch als
Hindernislauf mit vielen Fallstricken und unbestimmtem Ziel.
Eltern und Schüler werden hängen gelassen, Basler Zeitung, 3.2. von Dina Sambar
Völlig verschiedener Unterricht
Die richtige Auswahl kann die schulischen Leistungen des Kindes
stark beeinflussen. Zwar haben alle Schulen dieselben Lernziele, zwischen ihren
Unterrichtsformen liegen jedoch Welten. Es gibt Schulen, in denen sich alle
Leistungsstufen (A, E und P) gemeinsam in einer Klasse befinden, solche, in
denen nebst dieser Niveaudurchmischung zusätzlich die Altersstufen
zusammengelegt werden, und jene, in denen Alter und Niveau klassisch getrennt
sind. Auch die Art, wie die Schüler unterrichtet werden, unterscheidet sich
erheblich. Neben dem herkömmlichen Unterricht gibt es auch Schulhäuser, in
denen die Schüler einen beachtlichen Anteil der Lektionen mit selbstständigem
Lernen in Ateliers verbringen. An weiteren Schulen wiederum wird in Phasen oder
Epochen unterrichtet. Das heisst, dass über einen bestimmten Zeitraum weniger
Fächer auf dem Stundenplan stehen, diese jedoch häufiger. In jeder Phase
wechseln die Fächer.
Lehrer sollen nicht helfen
In einem der jüngeren Basler Schulblätter heisst es: «Die Suche
nach dem passenden Beruf oder der richtigen Schule ist eine herausfordernde
Aufgabe.» Hilfe dürfen die Eltern aber nicht erwarten. Die verschiedenen
Unterrichtsformen mögen vielleicht gleichwertig sein. Klar ist jedoch, dass es
Kinder gibt, für die selbstständiges Lernen ein Segen ist, während andere
schwer damit zu kämpfen haben. Es spielt also sehr wohl eine Rolle, in welche
Schule ein Kind kommt.
Die Primarlehrer der Kinder dürfen nicht helfen. Sie haben klare
Anweisungen erhalten, wie sie gegenüber den Eltern kommunizieren sollen: «Es
ist uns ein grosses Anliegen, dass Lehrpersonen erstens keine Standorte
empfehlen, zweitens die pädagogischen Modelle der Sekundarschulen weder
bewerten noch empfehlen und drittens die Sekundarschulen nicht mit ihren
Klassen besuchen», liess die Volksschulleitung vor einem Jahr verlauten. Für
vertiefte Informationen gebe es die Informationsabende, die
Sekundarschul-Broschüre und die Webseiten der Schulen. Doch in der Broschüre
stehen nur generelle Informationen. Und nach dem Besuch des Infoanlasses und
dem Sichten der Webseiten weiss man zwar, dass es die verschiedenen
Unterrichtsmethoden gibt und welche an welcher Schule angewandt werden, mehr
aber auch nicht. So finde ich beispielsweise das neue Lernatelier-Modell sehr
interessant, doch ich erhalte nirgends zuverlässige Informationen darüber, ob
es sich tatsächlich bewährt oder eine Totgeburt ist. Das Ganze bleibt äusserst
abstrakt und kaum greifbar. Trotzdem sollen die Eltern bis am 15. Februar
entscheiden, in welchen drei der zehn Basler Sekundarschulen sie ihr Kind gerne
sehen würden.
Fordernde und hilflose Eltern
Viele Eltern ergreifen deshalb selber die Initiative und besuchen
die Schulen mit ihren Kindern auf eigene Faust, um sich zumindest oberflächlich
einen Eindruck zu verschaffen. Zudem kursieren unter den Eltern unzählige
Gerüchte über die einzelnen Schulhäuser und ihre Vor- und Nachteile. So sollen
Kinder aus «besseren» Quartieren in einigen Schulen bevorzugt werden. Es ist
sogar die Rede davon, dass bei der Zuteilung in gewisse Schulhäuser nur die
besten Schüler eine Chance haben. In anderen Schulhäusern soll Sodom und
Gomorrha herrschen. Solche Gerüchte gibt es immer, bei besserer Information
vonseiten der Volksschulleitung hätten sie jedoch viel weniger Gewicht.
Ich habe im Zuge der eigenen Entscheidungsfindung mit zahlreichen
Eltern gesprochen. Viele sind etwas ratlos und entscheiden schlussendlich aus
dem Bauch heraus. Mehrere Mütter, die vor einem oder zwei Jahren vor demselben
Problem gestanden haben, bezeichnen ihren Wunsch rückwirkend als falsch.
Ironischerweise sind einige davon auch froh, dass ihrer Wahl damals nicht
entsprochen wurde – denn jetzt haben sie dank eigener Erfahrung die
Informationen, die ihnen damals fehlten.
Die Desinformation ist wohl nicht ganz ungewollt. Eltern können in
ihren Ansprüchen sehr fordernd sein. Nach der allerersten Sek-Einteilung vor
zwei Jahren gab es zum Teil heftige Proteste und rund 160 Rückkommensanträge.
Mittlerweile hat sich das Einteilungsverfahren etwas eingespielt; es bleibt für
die Volksschulleitung jedoch eine enorm knifflige Angelegenheit. Nebst den
Standortpräferenzen und den Geschwister- und Gspänli-Wünschen der Schüler
müssen die Schulräume ausgenutzt, an jedem Standort alle drei Leistungszüge
geführt werden; die Leistungszüge sind möglichst gleichmässig zu verteilen, die
maximalen Klassengrössen sollten nicht überschritten werden, der Schulweg soll
zumutbar und die Verteilung Mädchen/Knaben und deutsch- und fremdsprachiger
Kinder ausgewogen sein. Bei all diesen Kriterien ist klar, dass nicht alle
Wünsche der Eltern und Kinder erfüllt werden können.
Absurde Situation
Dies führt zur absurden Situation, dass Eltern und Schüler zwar
ankreuzen dürfen, welche drei Schulen sie für geeignet halten, bei der
Entscheidungsfindung jedoch keine wirkliche Hilfe erhalten. Haben sie sich dann
durch den Dschungel gekämpft und herausgefunden, welche Unterrichtsmethode
ihrem Kind am ehesten entspricht, kann es trotzdem passieren, dass es in einer
Klasse mit dem genau gegenteiligen Modell landet – oder in ein Schulhaus am
anderen Ende der Stadt gehen muss.
Das ganze System der Sekundarschul-Zuteilung ist noch jung und
wurde in den ersten zwei Jahren seines Bestehens bereits verbessert. Doch wenn
so gegensätzliche Unterrichtsmethoden angewandt werden, muss aus dem Wunsch
eine echte Wahl werden – eine Wahl, die man aufgrund von fundierten und
greifbaren Informationen treffen kann.
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