So macht
Lernen Spass: Im Fach Ernährung «kennen und berechnen die Schüler der Mittelstufe
die Mengen an Kartoffeln, die es zur Chips-Herstellung braucht, und die Preise
von Rohstoff und Fertigprodukt». Entwickelt wurde das Lehrmittel in
Zusammenarbeit mit der Zweifel Pomy-Chips AG. Im Fach Hauswirtschaft erfahren
sie, «wie sich die verschiedenen Hilfsgeräte der Küche im Laufe der Zeit
entwickelt und verbessert haben» – gesponsert vom Küchengerätehersteller V Zug.
Gesponsertes Unterrichtsmaterial breitet sich in der Schule aus, Bild: Goran Basic
Vom Pausenapfel zum Apple-Tablet, NZZ, 9.11. von Erich Aschwanden und Daniel Gerny
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Auch
die Kindergärtler müssen sich nicht langweilen. Sie trainieren mit dem
«Würstchen-Memory» ihre Feinmotorik, mit Unterstützung des Schweizer
Fleisch-Fachverbandes. Ebenfalls mit von der Partie ist die Firma Victorinox:
«Die Schüler lernen in diesen Unterrichtseinheiten auch Funktionen und den
richtigen Umgang mit einem Sackmesser kennen», heisst es zu Modul «Schnitzen
Sek I und Mittelstufe».
Diese
Beispiele sind nicht fiktiv, sondern einige der über 180 Unterrichtseinheiten,
die Lehrerinnen und Lehrer aller Stufen von der Seite www.kiknet.ch herunterladen können. Die Eigenwerbung
«Wo Wirtschaft und Schule sich treffen» ist nicht übertrieben. Es sind
keineswegs nur Privatfirmen, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen in
die Klassenzimmer drängen. Das Aussendepartement ist mit dem Thema Menschenrecht
vertreten, während das Staatssekretariat für Migration einen Postenlauf
beisteuert. Auch die FDP bietet über dieses Portal Unterrichtsmaterial an.
Die
Nachfrage nach den fixfertigen Schullektionen ist riesig: Jeden Monat
verzeichnet kiknet.ch, der grösste Schweizer Anbieter, rund 35 000 Downloads
von Unterrichtsmodulen. Das 2002 gegründete Unternehmen beschäftigt inzwischen
sechs festangestellte Mitarbeiter und 30 bis 40 Freelancer, die auf Basis der
von den 170 Partnern angelieferten Unterlagen stufengerechte und pfannenfertige
Lektionen produzieren. Der Markt entwickelt sich rasant. Die Zahl der Downloads
habe sich in den letzten acht Jahren rund verdoppelt, erklärt Geschäftsführer
Meinrad Vieli.
Beim
Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz befasst sich Jürg Brühlmann
eingehend mit dem Thema Sponsoring. «Ich schätze die Grösse dieses Marktes für
den ganzen Bildungsbereich auf mehrere 100 Millionen Franken», sagt der Leiter
der Pädagogischen Fachstelle. Eingerechnet sind neben Sachleistungen auch
Lohnkosten der Mitarbeiter von NGO, Firmen wie ABB oder Kantonalbanken, die für
Schulprojekte abgestellt werden. In finanzieller Hinsicht wichtige Player sind
Förderstiftungen wie die Jacobs Foundation oder Mercator.
Brühlmann
spricht von einem «schleichenden Prozess», der in der Öffentlichkeit nur wenig
wahrgenommen werde und für den es verschiedene Ursachen gebe. Da ist zum einen
die Digitalisierung und dies gleich in doppelter Hinsicht: So ist die
Anschaffung von technischen Geräten für die Schulen kostspielig. Bekannt ist,
dass Hersteller wie Apple oder Samsung Schulen mit Computern oder Tablets
versorgen. Gleichzeitig erleichtern Internet und neue Medien nicht nur die
Herstellung von Unterrichtsmitteln, sondern auch den niederschwelligen Bezug
durch die Lehrpersonen.
Auch
bildungspolitische Entwicklungen beeinflussen das Angebot. Der früher durch
kantonale Monopole geschützte Markt ist aufgebrochen. Lehrmittel können dank
dem Lehrplan 21 in der gesamten Deutschschweiz angeboten werden. Umgekehrt schränke
der Lehrplan 21 die Gestaltungsfreiheit beim Herstellen von Unterrichtsmaterial
aber auch ein, betont Meinrad Vieli. Er rechnet vor diesem Hintergrund nicht
damit, dass die Zahl der Sponsoren in nächster Zeit stark steigt.
Weshalb
aber weichen Schulen und Lehrpersonen immer häufiger auf gesponsertes Material
aus? Brühlmann und Vieli sehen übereinstimmend einen direkten Zusammenhang zum
Abbau im Bildungsbereich in den letzten fünf bis acht Jahren. «Wenn die
staatlichen Budgets immer knapper werden, suchen die Schulen ganz automatisch
nach anderen Finanzierungsquellen», erklärt Brühlmann. Und Vieli stellt im
Gespräch mit Lehrpersonen fest, dass immer weniger Mittel für Lehrmaterial zur
Verfügung stehe.
Doch
das Engagement von Privatwirtschaft und Institutionen ist eine stete
Gratwanderung: Niemand will, dass seine Kinder im Klassenzimmer mit Werbung
berieselt oder ideologisch bearbeitet werden. Anbieter wie kiknet.ch sind
deshalb vorsichtiger geworden, beispielsweise bei Produkteabbildungen. Die
Sponsoren werden nur für die Lehrerschaft transparent gemacht, während
Schülerinnen und Schüler weder Firmennamen noch Logos zu Gesicht bekommen.
Aktiv sind auch die Kantone – mit Richtlinien setzt etwa Basel-Stadt dem
Sponsoring Grenzen.
Manche
Botschaften werden indessen subtiler vermittelt, so dass die versteckte Werbung
für die Kinder kaum erkennbar ist. Klare und transparente Verhältnisse strebt
deshalb der Lehrerverband an. In einer am Dienstag präsentierten Charta (siehe
Zusatztext) verpflichten sich Firmen wie Microsoft, Swisscom, Samsung oder die
Post beispielsweise darauf, auf Product Placement im Schulzimmer oder die
Abgabe von Vergünstigungsbons zu verzichten. Nicht verzichten müssen
Schülerinnen und Schüler auf den wohl ältesten Sponsoring-Artikel: den Pausenapfel.
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