6. Juli 2016

Kommunikation per WhatsApp

Ohne Smartphone in der Oberstufe? Keine Chance. Lehrer kommunizieren mit den Schülern via Chat. Ohne WhatsApp wird man zum Aussenseiter. Dabei wäre die App erst ab 16 Jahren erlaubt.
Gruppenzwang Klassen-Chat, Ostschweiz am Sonntag, 3.7. von Julia Nehmiz


Die Sechstklässler einer St. Galler Primarschule sind ratlos. Zwar haben die meisten schon ein Smartphone, aber eben nicht alle. Müssen die sich nun eines kaufen? «Wir hatten gestern Besuchstag in der Oberstufe. Unsere neue Lehrerin hat gesagt, wir brauchen alle ein Smartphone, damit wir einen Klassen-Chat auf WhatsApp einrichten können», erzählt ein 13-Jähriger.

Was der Oberstufenlehrerin wohl entgangen ist: In den Nutzungsbedingungen von WhatsApp heisst es, dass man mindestens 16 Jahre alt sein muss, um die Anwendung zu nutzen. Beim Installieren der App wird das Mindestalter jedoch nicht kontrolliert. Ein anderer Sechstklässler fragt: «Wenn die Lehrerin nun sagt, ich soll WhatsApp installieren, was soll ich dann machen?»

Kinder sind immer erreichbar
Die Primarlehrer ärgert das masslos. Es gebe andere Wege der Kommunikation, um die Schüler zu erreichen. Hausaufgaben könne man auch in der Schule besprechen. Und wenn der Lehrperson erst am Sonntagabend einfällt, dass die Schüler Pappkarton zum Basteln mitbringen müssen – dann sei es halt zu spät. «Bei grossen Konzernen werden die Mailprogramme am Wochenende abgestellt, damit die Mitarbeiter abschalten können. Aber bei Kindern fängt man an, permanente Erreichbarkeit zu verlangen. Das ist doch absurd», sagt die Primarlehrerin.

«Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass meine Lehrer zu den Schülern sagen, sie müssten ein Smartphone haben», sagt der Leiter der betreffenden Sekundarschule. Es sei klar: Die Schule gebe den Eltern nicht vor, welche Geräte die Jugendlichen haben sollten. Dass Lehrer mit den Schülern via Klassen-Chat kommunizieren, findet er in Ordnung. Aber: «Es wäre mir neu, dass es keine Telefonkette mehr gibt.» Denn die Lehrperson müsse gewährleisten, dass wichtige Informationen bei allen Kindern ankommen. «Sonst müsste ich als Schulleiter vehement dagegen sein.» Aber werden seine Schüler nicht angestiftet, eine Regelwidrigkeit zu begehen? Fast keiner der Sekschüler ist 16 Jahre alt. «Die meisten benutzen WhatsApp schon. Wenn die Eltern das erlauben, geht das für mich in Ordnung.»

Für viele Eltern geht das aber nicht in Ordnung. Sie nerven sich ob der ständigen Erreichbarkeit der Kinder. «Unsere 14jährige Tochter checkt jeden Morgen ihr Handy, damit sie keine wichtige Nachricht im Klassen-Chat verpasst.» Die Tochter besucht eine Sek in der Innenstadt. Zu Beginn der 7. Klasse hätten noch nicht alle Kinder ein Smartphone gehabt. Das habe sich schnell geändert. «Per Klassen-Chat wurde mitgeteilt, dass die erste Lektion ausfällt. Die Schüler ohne Smartphone standen dann in der Schule.»

Im Chat wird alles besprochen
Ohne Smartphone werde man zum Aussenseiter. «Im Klassen-Chat wird alles besprochen», sagt der Vater. Ohne WhatsApp kann man nicht mitreden, nicht abmachen. Wenn die Familie ein Wochenende offline verbringt, will die Tochter am Sonntagabend die 500 Nachrichten im Chat lesen, damit sie am Montag mitreden kann. Man habe das an einem Elternabend angesprochen, die Schulleitung habe versprochen, sich darum zu kümmern – geändert habe sich nichts.


So schnell wird sich auch nichts ändern. Das Schulamt der Stadt St. Gallen sagt, es sei Schulen und Lehrern selber überlassen, den Umgang mit Smartphone und Klassen-Chat zu regeln. 

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