5. Mai 2015

Aeppli vor dem Abgang

Die Zürcher Bildungschefin Regine Aeppli (SP) steht am Ende ihrer Polit-Karriere. Im Interview mit Walter Bernet blickt sie zurück auf ihre Amtszeit.
"Man muss akzeptieren, dass man nicht alles besser weiss", NZZ, 5.5. von Walter Bernet


Frau Aeppli, welche Rolle spielte es für Sie als Bildungsdirektorin, eine Mutter zu sein?
Ich habe das Muttersein nie politisch analysiert und auch nie aus persönlichen Erfahrungen heraus Politik gemacht. Eine Rolle spielte, dass meine Kinder die städtische Tagesschule Bungertwies besuchten. Das war für unsere Familie ein grosses Glück. Ich habe dort die vielen Vorteile einer Tagesschule mit einer starken Schulgemeinschaft erlebt.
2003 traten Sie Ihr Amt als «Ungelernte» an. Sie hatten nie ein Exekutivamt inne und waren keine Bildungspolitikerin. Wie lernten Sie schwimmen?
Ein Sprung ins kalte Wasser war es für mich nicht. Ich fühlte mich durch meine je zwei Amtsperioden im Kantons- und im Nationalrat gut vorbereitet. Ich wurde ja nicht zur Oberlehrerin des Kantons gewählt, sondern um Entscheidungsverfahren zu leiten und die Gesetzgebung mitzugestalten und durchzubringen. Bildungspolitik ist so gesehen ein Politikfeld wie jedes andere. Natürlich musste ich mich einarbeiten.
Trotzdem haben Sie in den zwölf Amtsjahren wohl einige Lernprozesse mitgemacht. Welche waren prägend?
Rasch spürte ich, dass die Volksschule einem Tanker gleicht. Bei einem Tanker darf man das Steuer nicht einfach herumreissen. Man muss die Kurven sorgfältig nehmen und alle Beteiligten mitnehmen. Ich hatte das neue Volksschulgesetz umzusetzen. Ein solches Gesetz ist wie der Plan eines Hauses. Bis dieses gebaut ist und alles funktioniert, braucht es Geduld. Anfänglich waren zum Beispiel die Schulleitungen sehr umstritten. Heute ist die geführte Schule gut akzeptiert. Eine Umkehr wäre undenkbar. Ein anderes Beispiel ist die Berufslehre. Als ich begann, herrschte eine grosse Lehrstellenkrise. Heute ist die Berufslehre zum Exportschlager geworden, und viele Dienstleistungsunternehmen setzen wieder auf sie. In gewissen Branchen ist es schwierig geworden, Lernende zu finden. Dass sich das so stark geändert hat, ist nicht primär das Verdienst der Politik. Aber die Politik hat auch ihren Beitrag geleistet, zum Beispiel mit Brückenangeboten für leistungsschwächere Jugendliche.
Was ist typisch für die Bildungspolitik?
Von grösster Bedeutung ist der Dialog mit allen Beteiligten in der Schule und ihrem Umfeld. Schulen sind Expertenorganisationen. Mit Experten muss man diskutieren und dabei akzeptieren, dass man nicht alles besser weiss. Als ich anfing, stritten sich Hochschulen und Mittelschulen um den für ein Studium nötigen Bildungsrucksack. Die Hochschulen wollten selber bestimmen, wen sie aufnehmen. Mit dem Projekt HSGYM konnte die Schnittstelle Fach für Fach von Mittelschullehrern und Hochschuldozenten einvernehmlich bereinigt werden. Beide Seiten haben voneinander gelernt, der Disput über die Deutungshoheit bei der Studierfähigkeit ist völlig verklungen. Das sind Lösungswege, die mir entsprechen.
Gibt es eine generelle Erkenntnis aus Ihrer Tätigkeit als Bildungsdirektorin?
Es ist die Einsicht in den enorm hohen Stellenwert der Bildung in unserer Gesellschaft. Das hat mit dem Verlust an Gewissheiten zu tun. Heute landet ein Kind aus einer Akademikerfamilie nicht mehr automatisch in einem akademischen Beruf. Die Ansprüche im Arbeitsmarkt sind gewachsen, der Wettbewerb um gute Stellen ist härter geworden. Bildung ist zum Kapital geworden, mit dem man im Leben seinen Platz findet. Sie muss den Menschen die methodische Kompetenz vermitteln, neue Problemstellungen lösen zu können, und sie muss das Ziel haben, die Menschen zu Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu befähigen oder – in einem altertümlichen Sinn – zu erziehen, damit sie ihren Weg finden und gehen können.
Was konnten Sie 2003 nicht, was Ihnen heute unabdingbar erscheint?
Ich hatte mich vorher nie vertieft mit Finanzpolitik beschäftigt. 2003 musste ich mich dann sehr schnell mit Abläufen und Fragestellungen rund um die Finanzen auseinandersetzen.
Es ging um harte Sparmassnahmen.
Eben! Das dicke Sparpaket San04 war das einschneidendste in all den Jahren. Ich werde es nach dem Rücktritt zu Hause ins Büchergestell stellen. Gelernt habe ich damals, dass die Bildung zwar nicht ganz immun gegen das Sparen ist, aber einen starken Rückhalt in einer Bevölkerung geniesst, die an ihr keine Abstriche machen will. Das bewiesen die fünf gegen das Sparpaket zustande gekommenen Volksinitiativen. Keine davon kam vors Volk, weil das Parlament zurückbuchstabierte oder ihre Anliegen in neuen Gefässen umsetzte. Das hat mich in späteren Sparrunden gestärkt.
Bildung von der Wiege bis zur Bahre – was bedeutet das für Sie?
Ich habe mit allen Vorstellungen, die mit Lebenslänglichkeit verbunden sind, etwas Mühe. Es müsse auch ein Recht auf Vertrottelung geben, sagte ein Philosoph einmal. Das hat mir irgendwie eingeleuchtet. Der Anspruch, sich ständig weiterzubilden, geht in Richtung einer Leistungsmaxime, die ich relativieren möchte. Aber trotzdem wünsche auch ich mir, mich weiterzuentwickeln.
Was muss ein vierjähriges Kind können?
Wenn man den Lehrplan für den Kindergarten anschaut, kommen einige Anforderungen zusammen. Ich möchte die Frage aber von einer andern Seite angehen. Ist es nicht manchmal eher das Problem der Eltern, dass sie ihre Kinder nicht loslassen können? Es wird in die Schule oder den Kindergarten gefahren und damit von einer Autorität direkt an die nächste übergeben. Dabei wäre der Schulweg so wichtig für seine Entwicklung. Die Frage wäre also: Was können die Eltern beitragen, damit bei ihrem Kind Entwicklungen und Lernprozesse in Gang gesetzt werden? Unsere Kurzfilme über Lerngelegenheiten für Kinder bis vier zeigen konkret, welche Vielfalt an Möglichkeiten zum Lernen der Alltag bietet – vom Aufhängen der Wäsche bis zum Schneiden von Gurkenscheiben. Deutlich wird dabei, dass Lernen einfach geschieht, wenn die richtigen Anreize dazu da sind.
Was ist mit den Kindern, die solche Lerngelegenheiten zu Hause nie hatten und auch in der Schulzeit nicht haben?
Das Drama, dass die familiäre Herkunft für den Bildungserfolg eine so grosse Bedeutung hat, beschäftigt uns sehr und wird uns noch lange beschäftigen. Für mich ist das Stichwort Tagesschule auch in diesem Zusammenhang wichtig. Überdies wissen wir aus dem Projekt Chagall für begabte jugendliche Migrantinnen und Migranten: Wenn intelligente und leistungsstarke Jugendliche keine Familie haben, die sie unterstützen kann, brauchen sie Unterstützung von anderer Seite, um ihr Potenzial auszuschöpfen. Ich stehe voll und ganz hinter dem Anspruch auf Chancengleichheit, aber sie wird wohl immer eine Herausforderung bleiben.
Wie fördert die Schule die Kleinen, damit sie nach vielen Jahren gerüstet in die Berufswelt entlassen werden können?
Unsere Schulen haben gelernt, dass sie mit riesigen Unterschieden zwischen den Kindern umgehen können müssen. Kinder entwickeln sich ja nicht linear. Entwicklungsschübe nur schon festzustellen und dann richtig darauf zu reagieren, ist sehr anspruchsvoll. Es ist eine grosse Aufgabe, dass jedes Kind entsprechend seinen Fähigkeiten gefördert wird, ohne über- oder unterfordert zu werden. Der Beruf der Lehrerin und des Lehrers stellt hohe Ansprüche.
Was darf ein Kind an individueller Zuwendung erwarten, was nicht?
Das Kind soll von der Lehrperson Gerechtigkeit erwarten können. Kinder reagieren sehr empfindlich, wenn eine Lehrperson Lieblinge hat und andere nicht mag. Nützlich ist es, wenn die Lehrperson mit Humor ausgestattet ist. Das hilft, schwierige Situationen zu entschärfen. Wichtig sind Zuwendung, Geduld und die Gewissheit, ernst genommen zu werden. Wenn ein Kind spürt, dass es akzeptiert wird, kann es auch mit Kritik und Zurechtweisungen umgehen.
Wie kann man Bildungserfolg herstellen? Lässt sich das überhaupt steuern?
Bildung ist ein gesellschaftliches Thema von höchster Relevanz, aber stark mit dem Gedanken an Leistung und Wettbewerb verbunden. Mein Eindruck ist, dass diejenigen, die es sich zutrauen, an diesem Wettbewerb auch teilnehmen und etwas erreichen wollen. Die Frage ist die nach der Halbwertszeit des Gelernten. Rein auf Anwendung ausgerichtete Wissensvermittlung veraltet relativ schnell. Darum musste ich lachen, als ich kürzlich in einer deutschen Zeitung las: «Die Arbeitsfähigkeit beginnt im Kindergarten.» Bildung muss Wissen und Methodenkompetenz vermitteln, also die Fähigkeit, Veränderungen methodisch anzugehen und einzuordnen. Es geht auch um kulturelles und soziales Lernen, um das Verstehen von Zusammenhängen. Es ist nicht Aufgabe der Schule, den Unterricht ausschliesslich auf die ökonomische Verwendbarkeit auszurichten.
Die Schule bildet, integriert und selektioniert. Wie lassen sich diese zum Teil widersprüchlichen Ansprüche erfüllen?
Die Schule hat diese Aufgaben schon immer unter einen Hut gebracht. Neu sind die Dimensionen. Die Unterschiede sind wegen der Multikulturalität wesentlich grösser geworden und für viele Schulen eine enorme Herausforderung, namentlich im städtischen Umfeld.
Neu ist wohl auch, dass die Selektion der Schulen stärker hinterfragt wird. Man misst sie beispielsweise an der Chancengerechtigkeit.
Wir leben diesbezüglich in einer guten Welt. Früher gab es für wenige den Königsweg über das Gymnasium an die Hochschule, für die anderen gab es die Berufslehre. Heute ist die Bildungswelt durchlässig geworden. Es gibt die Berufsmaturität, die Fachhochschulen, die Passerelle an die Universität. Es stehen viele Wege offen, um den Platz zu finden, den man anstrebt. Insofern ist die Selektion nicht mehr so gesellschaftsbildend, wie sie es einmal war.
Wenn man es packt!
Auch wenn man es nicht packt, hat man mehr Möglichkeiten als früher. Der Satz «No child left behind» stimmt zwar nicht in jedem Fall, aber die Gesellschaft bemüht sich wirklich darum, ihm nachzuleben. Ich denke an Berufsvorbereitungsjahre, an das Case-Management in der Berufsbildung für solche, die vom Karren zu fallen drohen.
Auf den Leistungsdruck reagiert die Schule mit der Abschiebung von Schülern, die nicht hineinpassen, in Sonderschulen und ähnliche Einrichtungen.
Das kann man nicht so sagen. Was haben wir nicht alles für die Integration getan! Ich wusste von Anfang an, dass die Umsetzung des Integrationsgedankens die schwierigste Vorgabe des Volksschulgesetzes sein wird. Zwar wurde schon seit den 1990er Jahren in vielen Schulen integriert unterrichtet und der Umgang damit geübt. Aber es gab auch eine grosse Gruppe, die nicht an die Integration glaubte. Jetzt sind selbst die Voraussetzungen für die Sonderschulung in der Regelschule geschaffen, und es stehen Mittel dafür zur Verfügung. Es ist alles da, um zu integrieren.
Trotzdem ist die Zahl der Sonderschüler kaum zurückgegangen.
Ja, ich weiss. Man muss die Fälle differenziert anschauen. Ich bin nicht sicher, ob sich die Gesellschaft verändert hat oder ob es einfach viel mehr Möglichkeiten in der Diagnostik und Therapie gibt, um auf Sonderbedürfnisse einzugehen. Die Frage ist, ob wir in der Lage sein werden, all die Angebote aufrechtzuerhalten. Wichtig sind jedenfalls einheitliche Instrumentarien für die Abklärung der Sonderfälle.
Kann die öffentliche Volksschule den Tendenzen zu individuelleren Bildungsansprüchen, zur Käuflichkeit von Bildung und zum Verlust des Wissensmonopols widerstehen?
Das ist eine komplexe Problematik, die auch mit der Frage zusammenhängt, was denn eine Gesellschaft ausmacht. Gesellschaft ist eine Form der Organisation, in der sich Menschen zusammentun, sich Ziele und Aufgaben geben und eine gemeinsame Kultur entwickeln. Damit man sich darüber verständigen kann, braucht es Bildung. Bildung ist ein öffentliches Gut. Wenn man wie ich am Anspruch der Chancengleichheit festhält, dann darf sie wie das Wasser nicht privatisiert werden, denn sie ist auch lebenswichtig. Den Umgang mit dem Verlust des Wissensmonopols üben wir ja schon seit einiger Zeit.
Wie sieht Ihre ideale Schule der Zukunft aus?
Ich bin weder Pädagogin noch Lehrerin, spreche also nicht als Fachfrau. Aber es gibt Parallelen zwischen der Schul- und der Arbeitswelt. In beiden geht es um das Verhältnis von Individuum und Kollektiv. In der Verwaltung ist zum Beispiel Home-Office ein grosses Thema. Wir begegnen ihm mit Zurückhaltung. Zwar muss am Ende des Tages jeder seine Leistung bringen, aber der Austausch, der vielleicht vor der Kaffeemaschine springende Funke, hat einen enormen Einfluss darauf. Dasselbe gilt für die Schule. Sie ist eine der letzten Institutionen, wo sich alle begegnen und vertragen müssen.
Das heisst, Ihre Zukunftsschule wäre ein Haus, in dem Schüler und Lehrer noch mehr gemeinsame Zeit verbringen?
Da sind wir wieder bei der Tagesschule. Schüler lernen voneinander auch beim Mittagessen oder in der Mediothek, Lehrer lernen von Betreuern und umgekehrt. Die Schule wird zum Bildungshaus.
Welche Rolle spielen in dem Bildungshaus die in Ihrer Amtszeit eingeführten Neuerungen, etwa die Fremdsprachen auf der Primarstufe?
Wir sind eine Willensnation, und eine solche lebt vom Austausch. Ich lese leider kaum welsche Literatur, und wenn ich einer welschen Kollegin von einem Text von Peter von Matt vorschwärme, fragt sie, wer das sei. Es braucht Anstrengungen, den Austausch zu verbessern, und deshalb weiterhin Französischunterricht. Das Englisch ergibt deshalb Sinn, weil es schon kleinen Kindern auf Schritt und Tritt begegnet und ihre Neugierde weckt. Das ist ein sinnvoller Lernanstoss. Meine Haltung ist die gleiche geblieben: Es braucht beide Fremdsprachen, aus je eigenen Gründen.
Und die integrierte Sonderpädagogik?
Aus der Unruhe, welche die vielen Teilzeitpensen und Fachkräfte in die Klassenzimmer getragen haben, ist der Schulversuch «Fokus starke Lernbeziehungen» entstanden, in dem zwei Lehrpersonen auch die einfacheren Angebote der Förderung und Therapie übernehmen. Weil von Lehrpersonen ohnehin verlangt wird, dass sie mit Hoch- bis Minderbegabten und Sonderschülern umgehen können, muss diese Art von Sonderpädagogik, die in jedem Klassenzimmer erforderlich ist, Teil der Lehrerausbildung werden. Ein solcher Studiengang für die Primarstufe ist in Vorbereitung. Selbstverständlich bleiben die schweren Fälle weiterhin den Spezialisten vorbehalten.
Wie geht es in Ihrer Bildungskarriere weiter? Mit «Reisen bildet», Learning by Doing oder mit einem Studienabschluss im AHV-Alter?
Es wird ein bisschen von allem sein. Beim Reisen ist es nicht mein primäres Bedürfnis, mich weiterzubilden. Es soll mich erfreuen, auf andere Gedanken bringen und auch dazu anregen, die eigene Welt zu reflektieren. Ich möchte mich aber weiterhin nützlich machen. Um den Sprachunterricht zu verbessern, müsste man den Austausch zwischen den Sprachregionen intensivieren. Die ch-Stiftung stellt dafür Mittel zur Verfügung, aber jemand muss das auch organisieren. Wenn ich dazu einen Beitrag leisten könnte, würde ich es gerne machen, weil es mir am Herzen liegt. Learning by Doing habe ich jetzt lang praktiziert. Ich bin jemand, der gerne systematisiert. Deshalb überlege ich mir, zum Beispiel einen Weiterbildungs-Master in Public Administration zu machen, um das Gelernte einordnen und künftige Aufgaben systematischer anpacken zu können. Wenn ich als Bildungsdirektorin ein Projekt lancierte, wurde es meist von Mitarbeitern aufgegleist. Ich möchte diese Arbeit auch selber machen können.
Sind Sie in den vielen Jahren in der Politik weiser geworden? Oder haben Sie vor, es jetzt zu werden?
(Lacht.) Ich habe die Weisheit bisher noch nicht als grosses Lebensziel für mich betrachtet. Und ich habe noch nicht die Distanz, um das zu beurteilen; ich stecke mittendrin. Deshalb lasse ich die Dinge jetzt auf mich zukommen und hoffe, das auch auszuhalten.


1 Kommentar:

  1. Ein Leserbriefschreiber aus der NZZ vom 7.5. kommentiert diesen Beitrag folgendermassen:

    Vergesslicher Journalist
    In der NZZ vom 5. Mai zieht Regine Aeppli in einem Interview von Walter Bernet Bilanz. Sie antwortet auf Fragen nach dem Muttersein als Politikerin, nach der Steuerbarkeit der Bildungslandschaft und nach politischen Lernprozessen in der Regierung, nach ihrer Post-Polit-Karriere und ob sie weiser geworden sei. Ein ganz nettes Interview, wie es sich zum Abschluss gehört nach zwölf Jahren Tätigkeit als Regierungsrätin. Aber da fehlt doch etwas, oder? Ganz richtig: keine einzige Frage nach der unseligen Mörgeli-Affäre an der Uni Zürich. Dabei hängt an dieser Affäre doch so ziemlich alles, was einer Politikerin das Leben schwermachen kann. Auch so manches, was die Leser und das Publikum ganz allgemein wissen möchten: Hat sie nun dem ehemaligen Universitätsrektor Andreas Fischer die Entlassung von Prof. Mörgeli «befohlen»? Auf jeden Fall hat der Kantonsrat entscheiden müssen, die Immunität von Regine Aeppli nicht aufzuheben (NZZ 24. 2. 15). Und seit Montag steht der Rektor als alleiniger Sündenbock in der Politlandschaft (NZZ 4. 5. 15).

    Zu dieser zugegebenermassen komplexen Affäre - kein Wort. Dabei wäre dem Journalisten sicher eine nette Frage dazu eingefallen. Kann der Leser noch von unabhängigen Journalisten ausgehen? Wie liberal ist die NZZ, wenn es nicht um Finanzfragen geht? Erträgt das politische Klima im Kanton Zürich keine kritischen Fragen mehr, auch wenn sie nett gestellt werden? - Der Leser wundert sich.

    Leo Suter, FL-Triesen

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