4. Februar 2012

Freie Schulwahl in Zürich?

Nach Volksabstimmungen in den Kantonen Baselland, Thurgau und St. Gallen, die allesamt deutlich verloren gingen, kommt nun auch in Zürich eine Volksinitiative "Ja! Freie Schulwahl für alle ab der 4. Klasse" vors Volk. Ab Montag debattiert darüber der Kantonsrat.
Die Initiative will den Eltern das Recht geben, die Schule für ihre Kinder frei wählen zu können. Es müsse möglich sein, der Schulpflicht auch in einem anderen Schulmodell als dem von der Volksschule angebotenen gerecht zu werden. Zukünftig soll der Steuerzahlen für das Schulgeld an Privatschulen aufkommen - soweit dies die Pro-Kopf-Kosten der öffentlichen Schule nicht übersteigt. Die Initianten versprechen sich durch die Konkurrenz zwischen privaten und öffentlichen Schulen auch eine Qualitätssteigerung. 
Die Gegner verweisen auf die gesellschaftlich wichtige Integrationsfunktion der öffentlichen Schule. Ausserdem seien durch eine Annahme beträchtliche Mehrkosten zu tragen.
Auch die öffentliche Primarschule Regensberg reagiert mit innovativen Angeboten auf neue Bedürfnisse. (Bild: NZZ / Karin Hofer)
Sind die öffentlichen Schulen innovativ genug? Bild: Karin Hofer, NZZ
Wie viel Wettbewerb erträgt die Schule? NZZ, 4.2. von Walter Bernet

1 Kommentar:

  1. Walter Bernet schreibt einen Kommentar zum Thema in der NZZ vom 4.2. Privatschulen als Konkurrenz zu den Volksschulen haben in der Schweiz und im Kanton Zürich eine bescheidene Tradition. Anders als etwa in den Niederlanden, wo die grossen konfessionellen Gruppierungen für ausgezeichnete Bildungsleistungen sorgten, ist hierzulande das mit dem liberalen Aufbruch des 19. Jahrhunderts verknüpfte Erfolgsmodell der öffentlichen Volksschule bis in die jüngste Zeit kaum hinterfragt worden. Das hat mit ihrer Qualität als Bildungs- und Integrationsinstitution und mit ihrer Verankerung in Quartieren und Gemeinden zu tun.

    Mit ihrer Volksinitiative für eine freie Schulwahl erzwingt die Elternlobby jetzt auch im Kanton Zürich eine Debatte darüber, ob die Zuweisung zu einer bestimmten Schule weiterhin allein vom Wohnort abhängen soll – ohne grosse Wahlmöglichkeit für die Eltern. Es ist voraussehbar, dass die Initiative von Parlament und Volk wuchtig abgelehnt wird. Das liegt an ihrer Radikalität. Mit dem Generalargument eines elterlichen Menschenrechts auf freie Schulwahl verlangt sie sowohl die Freiheit, unter den öffentlichen Schulen auszuwählen, als auch die Möglichkeit, auf Kosten der Steuerzahler eine der öffentlichen vergleichbare private Schule zu besuchen.

    In dieser Einseitigkeit weckt die Eltern-Initiative die geschlossene Abwehr praktisch aller anderen Akteure im Schulbereich mit Ausnahme einiger Privatschulen – vor allem der den Initianten nahestehenden Steiner-Schulen. Die freie Schulwahl führe zu unlösbaren praktischen Problemen, heisst es dann. Und das Manko privater Schulen an demokratischer Beeinflussbarkeit und gesellschaftlicher Einbettung rechtfertige die Bezahlung des Schulgeldes durch die öffentliche Hand nicht.

    Letztlich geht es aber um das Wohl der Kinder. Allen wird die Volksschule nicht gerecht, das zeigt die immer noch steigende Zahl von Sonderschulungen. Es wäre wünschbar, dass die Diskussion über die freie Schulwahl nicht durch den Austausch von Killerargumenten geprägt bliebe. Sie hat schlicht zu klären, wann eine Gemeinde Hand und Geld für den Schulbesuch ausserhalb ihrer eigenen Schule bieten muss.

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