16. Dezember 2011

Berufsauftrag schwächt Lehrer

In Zürich spricht man nicht mehr über das schwache Abschneiden am PISA-Kantonsvergleich, die Bildungsdirektion hat ein neues Thema lanciert: Berufsauftrag. Dieser wird eifrig kommentiert und ich frage mich, wie lange es geht, bis die nächsten Kantone ähnliche Vorlagen präsentieren.
Es ist ein bürokratischer Trugschluss, verschiedene Fächer undifferenziert als gleichwertig bezüglich Aufwand zu betrachten. Als erfahrener Lehrer weiss ich, wie unterschiedlich der Aufwand für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts in unterschiedlichen Fächern ist. Aber bekanntlich stösst das Erbsenzählen hier an seine Grenzen. Deshalb setzt man einfach einen Pauschalwert pro Lektion ein und hofft, es gleiche sich dann schon irgendwie aus. Während - abgesehen vom Unterrichten - über jede Minute Buch geführt werden soll, vertraut man bei den Lektionen auf eine nicht mehr zeitgemässe Milchbüechlirechnung. 
Mit dem Berufsauftrag werden Lehrer gezwungen Weiterbildungen zu besuchen. Ob sie das nötig haben oder nicht, spielt keine Rolle. Die Folge davon ist, dass viele unmotivierte Leute an solchen Weiterbildungen ihr Soll abhäkeln. Das ist bürokratischer Unsinn. Wer nicht aus eigenem Antrieb aus regelmässig Weiterbildungen besucht, ist doch selbst schuld. Und als Profis brauchen wir keine Anleitungen darüber, wie viel Weiterbildung für unsere Arbeit wichtig ist: Das entscheiden wir selbst! Ausserdem ist gerade im Bereich der Sekundarstufe das Angebot an guten, praktischen Kursen sehr beschränkt. Die Lehrerweiterbildung gehört deshalb vollkommen liberalisiert. Niemand soll zu einer Weiterbildung verknurrt werden, die ihm/ihr nichts bringt! Die Weiterbildung ist ausserdem fest in den Händen der PH, wo sie als willkommene Pensenergänzungen für Dozenten dienen. Die Lehrerschaft wird durch den Weiterbildungszwang zu Zudienern der PH: Dies schwächt die Position der Schulpraktiker gegenüber den selbsternannten Experten! 
Wer kontrolliert denn eigentlich diese Zeitberechnungen über Weiterbildungstage, Elterngespräche etc.? Ist dies wieder eine willkommene Aufgabe für unsere Schulleitungen? Die werden sich sicher darauf freuen.
Abschliessend werde ich den Verdacht nicht los, dass hinter der ganzen "Übung" Berufsauftrag ein riesiger Berg von Misstrauen gegenüber uns Lehrpersonen steht. Wir werden zu Buchhaltern degradiert, die sich über die Verwendung ihrer Zeit rechtfertigen müssen. Man fragt nicht: Haben die Schüler etwas gelernt?, sondern interessiert sich primär, ob die Lehrkräft ihr zeitliches Soll erfüllt hat. Die entscheidende Frage aber lautet: Wird mit dem Berufsauftrag die Schule verbessert? Kaum, denn Lehrkräfte, die nicht gerne arbeiten, werden Wege finden, dies weiterhin zu vertuschen. Aber Lehrkräfte, die gerne arbeiten, könnten leicht die Fassung verlieren, wenn sie feststellen, dass sie anstatt den Unterricht zu planen, Minuten zusammen zählen.
Für Lehrer gilt künftig die Jahresarbeitszeit, Zürcher Oberländer, 15.12.

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