Die SP will sich für die Frühfremdsprachen einsetzen, Bild: Keystone
SP sorgt sich um Schulreformen, Tages Anzeiger, 6.8. von Anja Burri
Zu den härtesten Kritikern
des Lehrplan 21 gehören nicht nur rechtsbürgerliche und konservative Kräfte,
sondern auch Lehrerinnen und Lehrer. Und die Proteste gegen den Ausbau des
Fremdsprachenunterrichts in der Primarschule werden in vielen Kantonen von Lehrern
angeführt oder mitgetragen. In Luzern zum Beispiel engagiert sich sogar der
Lehrerverband im Initiativkomitee für nur «eine Fremdsprache auf der
Primarstufe». Diese Entwicklung bereitet den Sozialdemokraten, die in der
Lehrerschaft traditionell gut verankert sind, Sorgen.
Es sei geradezu fahrlässig,
zur jetzigen Zeit den Lehrplan 21 und damit die Harmonisierungsbemühungen
infrage zu stellen, sagte der Berner SP-Nationalrat und ehemalige Lehrer
Matthias Aebischer gestern vor den Medien. Das Stimmvolk habe sich deutlich für
den Bildungsartikel in der Verfassung und damit für eine Angleichung der
kantonalen Schulsysteme ausgesprochen. Auch einen Abbau beim
Fremdsprachenunterricht wolle die SP verhindern, sagte SP-Nationalrat Mathias
Reynard, der neben seinem Politamt selber an einer Schule im Wallis
unterrichtet. Die «scharfen Attacken» aufs Frühfranzösisch, die es in
verschiedenen Deutschschweizer Kantonen gebe, seien gefährlich für den
nationalen Zusammenhalt.
Für die SP, die sich den
Widerstand gegen die Reformen vonseiten der Lehrerschaft nicht richtig erklären
kann, ist allerdings klar: Die an den Protesten beteiligten Lehrkräfte stemmen
sich nicht grundlos gegen die Neuerungen im Klassenzimmer. Sie wehren sich,
weil viele Kantone bei der Bildung sparen. Für eine erfolgreiche Umsetzung des
Lehrplan 21 brauche es mehr Ressourcen, fordern die Sozialdemokraten. Zum
Beispiel für den Frühfranzösischunterricht. Die Erfahrung im Kanton Solothurn,
wo das Französisch bereits seit drei Jahren nach den Zielen des Lehrplan 21
unterrichtet wird, zeige: Damit der Unterricht nach den neuen, anspruchsvollen
Standards gelinge, müssten mindestens drei Bedingungen erfüllt sein:
·
Angemessene
Weiterbildung der Lehrkräfte
·
Unterricht in
Halbklassen
·
Laptops oder
Computer für die Schüler, da viele Übungen nur noch auf einer CD-ROM abrufbar
seien
Allerdings planten viele
Kantone nicht etwa Mehrausgaben für die Bildung, sondern Sparübungen,
kritisierte der SP-Vizepräsident und Luzerner Kantonsrat David Roth. Luzern, wo
Klassen vergrössert, Stipendien reduziert und Bildung privatisiert würden, sei
kein Einzelfall. Diese Entwicklung gefährde den Lehrplan 21 und somit die
Erfüllung des Verfassungsauftrags. Die SP werde deshalb die Sparprogramme auf
Kosten der Bildung überall bekämpfen.
Sprachengesetz verschärfen
Auf nationaler Ebene will
sich die Partei vor allem in der Fremdsprachenfrage einsetzen. Er werde «bis
zum Schluss» dafür kämpfen, dass die Schüler in jedem Kanton in einer zweiten
Landessprache unterrichtet würden, sagte Aebischer. Die SP befürchtet, dass in
jenen Deutschschweizer Kantonen, in denen zuerst Englisch unterrichtet wird,
das Französisch oder Italienisch bald in die Oberstufe verbannt werden könnte.
Dieses Szenario ist zum Beispiel in Luzern oder Nidwalden möglich, falls die
Volksinitiativen erfolgreich sind, welche die zweite Fremdsprache aus der
Primarstufe streichen wollen. Kommt es so weit, will die SP das Sprachengesetz
verschärfen. Heute legt das Gesetz lediglich fest, dass Schüler am Ende der
obligatorischen Schulzeit über «Kompetenzen in mindestens einer zweiten
Landessprache und einer weiteren Fremdsprache» verfügen. Das lasse den Kantonen
einen grossen Spielraum für Alibifranzösischunterricht, sagte Aebischer.
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