Herzog:"Pädagogisch nicht alles in Ordnung". Bild: derstandard.at
Ob sich Urs Moser (NZZ 2. 9. 13) im Klaren ist, wie
entlarvend seine Verteidigung des Lehrplans 21 ist? Da wird Satz um Satz
beschwichtigt, relativiert und abgewimmelt. Die Stundentafeln würden nicht
angetastet. Vieles bleibe, wie es war, und werde lediglich anders bezeichnet.
Eine Aktualisierung der Inhalte sei gar nicht das Ziel, die Lehrer würden sich
ohnehin «wie bis anhin» an den Lehrmitteln und nicht am Lehrplan orientieren
und überhaupt sei eine Schulreform nicht im Gang.
Scheinbar geht es nur darum, «dass der allseits beklagte
Anstieg der Vergessenskurve gebremst werden kann». Wenn dies das Ziel des
Lehrplans 21 sein sollte, dann hätte der Berg eine weitere Maus geboren. Zudem
eine kaum überlebensfähige Maus, denn ein solches Ziel mittels einer
Lehrplanreform zu erreichen, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein.
Wenn Ziele und Inhalte nicht zur Diskussion stehen (wie es
der Beitrag von Hermann Forneck eindrücklich bestätigt) und die Bremsung der
Vergessenskurve ins Kapitel unfreiwilliger Humor gehört, dann fragt man sich,
was mit dem Lehrplan 21 erreicht werden soll. Auch hier ist die Argumentation
von Moser entlarvend. Nachdem er alles, was auch nur den Anschein einer
substanziellen Reform erwecken könnte, gehörig eingekocht hat, bleibt als
Botschaft nurmehr die Reduktion von Schule und Unterricht auf messbaren Output.
Wobei es nicht um die Selbstverständlichkeit geht, dass Lehrerinnen und Lehrer
überprüfen, ob ihre Schülerinnen und Schüler gelernt haben oder nicht. Vielmehr
geht es darum, dass diese Aufgabe an Expertinnen und Experten (wie Moser selber
einer ist) abgetreten wird, die mittels Schulleistungstests flächendeckend
überprüfen, ob dem Lehrplan nachgefolgt wird oder nicht.
Beim Lehrplan 21 geht es um mehr Kontrolle der
Berufsarbeit der Lehrpersonen durch bessere «Steuerung» des Bildungssystems. Um
die damit verbundene absehbare Deprofessionalisierung des Lehrerberufs zu
kaschieren, wird der Kompetenzorientierung das Mäntelchen der «fairen
Beurteilung» von Schülerleistungen umgehängt, unterstellend, dass die
Lehrkräfte zu solcher Fairness nicht fähig sind, und verkennend, dass Fairness
nicht darin bestehen kann, dass alle über denselben Kamm geschoren werden. Wenn
es noch eines Beweises bedurft hätte, dass mit dem Lehrplan 21 pädagogisch
nicht alles in Ordnung ist, dann hat ihn Moser erbracht.Quelle: NZZ, 2.10. Leserbrief von Walter Herzog
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