25. August 2015

Kleinviehhaltung als Vorbild

«Einmal mehr sollen Schülerinnen und Schüler, Lehrerschaft, Eltern, aber auch die Lehrbetriebe die Zeche zahlen.» Das ist das Fazit, das der Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland (LVB) zur Finanzstrategie der Baselbieter Regierung zieht, wie aus der am Wochenende verbreiteten Stellungnahme hervorgeht. Dabei zieht der LVB gar Vergleiche zur Kleinviehhaltung. Eine einzige der im Bereich der Schule vorgeschlagenen Sparmassnahmen begrüssen die Lehrkräfte: den angekündigten Abbau von «gerade mal» zwei Stellen im Amt für Volksschulen.
Kleinviehhaltung als Vorbild, Basler Zeitung, 25.8. von Thomas Dähler


Am drastischsten äussert sich der Lehrerverein zur vorgeschlagenen Erhöhung der maximalen Klassengrösse auf den Sekundarstufen I und II. Der in den Klassenzimmern pro Person noch zur Verfügung stehende Raum von 2,5 bis 3 Quadratmetern «entspricht in etwa dem Tierschutzgesetz für die Haltung von Kleinvieh», steht in der von der LVB-Geschäftsleitung unterzeichneten Stellungnahme. «In vielen Schulzimmern lassen sich aus Sicherheitsgründen die Fenster kaum öffnen – es drohen gesundheitlich bedenkliche Zustände», heisst es weiter. Grössere Klassen seien «ein absolutes Unding» und würden mit Blick auf Schüler mit Schwierigkeiten auch «sozialen Sprengstoff» enthalten, der auf die Dauer mehr koste, als kurzfristig damit eingespart werden könne. Ausserdem stehe die Massnahme im Widerspruch zu einem Volksentscheid.
Auch das Ansinnen, die Berufsvorbereitende Schule 2 (BVS2) durch ein einjähriges Brückenangebot zu ersetzen, stehe im Widerspruch zu einem Volksentscheid. Die Abschaffung sei nicht sinnvoll, denn die BVS2 sei für die starken Sekundarschüler des Niveaus A Ansporn und Ziel, keineswegs vergleichbar mit einem Brückenangebot. Im Gegenteil: Die BVS2 sei für Firmen wertvoll, da sie ein Sprungbrett für anspruchsvolle Berufslehren sei. Auch dem Vorschlag, den Zugang zur Wirtschaftsmittelschule und zur Fachmittelschule zu erschweren, kann der Lehrerverein nichts abgewinnen.

Konzeptkosten ohne Spareffekt
Es gebe keinerlei Hinweise, dass Absolventen dieser Mittelschulen auf dem Arbeitsmarkt nicht erfolgreich seien. «Entsprechend ist der Zweck dieser Massnahme nicht ersichtlich», schreibt der Lehrerverein. Streichungen führten zu Entwicklungs- und Konzeptkosten «ohne Spareffekte am Ende».
Zu den kleineren Sparvorschlägen der Regierung können die Lehrerinnen und Lehrer auch nichts Positives anmerken. Die Kürzung des Freifachangebots an den Gymnasien sei nicht verursachergerecht, denn dieses sei kein Kostentreiber. Die Kostenverlagerung beim Instrumentalunterricht an den Gymnasien stehe gar im Widerspruch zur Bundesverfassung, weil der Zugang dazu nicht erschwert werden dürfe. Die Kürzung bei den Lagerbeiträgen schliesslich käme bei den Erziehungsberechtigten schlecht an. Polemisch fragen die Lehrkräfte: «Wie viel ist Ihnen der Babysitter wert, der auf Ihre Kinder aufpasst, wenn Sie weg sind? Bezahlen Sie ihn nur für einen Teil seiner Einsatzzeit?» Und zu den Sparmassnahmen beim Material schreibt der Lehrerverein: «Gescheiter wäre es, nicht mehr so viele praxisuntaugliche Lehrmittel einzukaufen und diese dann auch noch als obligatorisch zu taxieren.» Lehrmittel sollten dem Unterricht dienen, nicht dem Profit der Lehrmittelindustrie. Den Lehrern bleibe gar nichts anderes übrig, als ständig Kopien zu erstellen.
Beim Vorschlag, mit Schülerinnen und Schülern, die separat beschult würden, restriktiver zu verfahren, befürchten die Lehrkräfte, dass dies auf eine vollständige Abschaffung der Kleinklassen hinauslaufe. Es werde aber immer Kinder geben, die in einem sparativen Schulsetting besser aufgehoben seien als in einer Regelklasse. In Kantonen, in denen die Kleinklassen abgeschafft wurden, habe man damit schlechte Erfahrungen gemacht.

Keineswegs erstaunlich ist es schliesslich, dass sich die Lehrkräfte für ihre Löhne wehren. Die ohnehin immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen würden mit einer Lohnkürzung um ein Prozent noch unattraktiver. So könne der Kanton das Personal, das er brauche, nicht mehr rekrutieren. Auch die verzögerte – oder befristete – Wiederbesetzung vakanter Stellen habe diesen Effekt. Die Erhöhung der Zahl der Pflichtlektionen komme einem Qualitätsabbau gleich. «Fatal» sei es schliesslich, den älteren Lehrerinnen und Lehrern keine Altersentlastung mehr zu gewähren: Dies sei «ein Trauerspiel» und «kein Zeichen der Wertschätzung». Baselland werde damit das «schweizerische Schlusslicht im Um­gang mit verdienten Mitarbeitenden».

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