13. Mai 2020

Privatschulen als Verlierer

2011 hat der Baselland den Beitritt zum Sonderpädagogik­Konkordat beschlossen. Seither tun sich Regierung und Parlament schwer damit, die Spezielle Förderung und die Sonderschulung gesetzlich zu regeln. Zuletzt scheiterte 2014 der damalige Bildungsdirektor Urs Wüthrich mit dem Versuch, Strukturen zu schaffen, die den Schülerinnen und Schülern mit besonderem Bildungsbedarf gerecht werden. Weitere sechs Jahre später befindet sich nun das Projekt von Wüthrichs Nachfolgerin Monica Gschwind auf der Zielgeraden. Gschwind wird am Donnerstag im Parlament damit nicht scheitern, denn die Bildungs­, Kultur­ und Sportkommission hat sich nach monatelangen Beratungen zu einem Kompromiss durchgerungen, der einstimmig verabschiedet wurde. Verlierer gibt es aber noch immer: Nur in einzelnen Punkten hat die Kommission die Anliegen einer Petition aus Kreisen der Privatschulen berücksichtigt. Die kantonalen und kommunalen Behörden verfolgen das Ziel, immer weniger Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen den Privatschulen anzuvertrauen. Vom einstigen Kontingent von 150 Plätzen in Privatschulen sind noch 30 übrig geblieben.

Die Privatschulen sind die Verlierer, Basler Zeitung, 13.5. von Thomas Dähler

Mit einer Petition

Die Unterzeichner wollen mit ihrer Petition Kindern oder Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen den Besuch einer Privatschule ermöglichen, in der sie ohne den Sonderschülerstatus ihren Fähigkeiten entsprechend integriert beschult werden können. Diese spezielle Gruppe von sensiblen Kindern solle nicht weiter in Sonderschulen abgeschoben werden, die ihrem Bildungspotenzial nicht gerecht würden. Im Landrat allerdings dürften sie nicht mehr Gehör finden als zuvor in der Kommission. Bernhard Bonjour von der Schule für offenes Lernen (SOL) in Liestal sagt auf Nachfrage der BaZ, heute würden Kindern, die sensibel seien und den Wettbewerb nicht ertragen, erst nach mehreren Fehlversuchen und oft auch erst nach traumatischen Erfahrungen eine adäquate Lösung angeboten. Problematisch sei bei vielen Schulentscheiden, dass der Schulpsychologische Dienst in seinen Empfehlungen nicht unabhängig sei und entsprechend auch nicht nach ausschliesslich fachlichen Kriterien entscheide. «Dabei ist eine Lösung mit einer Zuweisung in eine Privatschule nicht teurer». Bonjour bedauert, dass die Landratskommission den Petitionären nur teilweise entgegengekommen ist. Immerhin habe sich die Kommission durchgerungen, die Spezielle Förderung nicht mehr länger ausschliesslich auf die Sekundarschulen zu beschränken. Doch trotz der Ausweitung auf die Primarschulen plane die Landratskommission unverändert mit einem Kontingent von nur 30 Schülern für die Privatschulen. Auch weiterhin müssten die Kinder und Jugendlichen zuerst lange in einer oder mehreren versuchsweise zugeteilten Regelschulen leiden, oft gar psychosomatische Krankheiten durchstehen, bis sie Gehör fänden und die Chance erhielten, mit dem Segen der Behörden in eine Privatschule zu wechseln. Vorbehalten sei dies heute begüterten Familien, die das Schulgeld selber bezahlten, kritisieren Bonjour und die Unterzeichner der Petition.

Kosten werden stabilisiert

Mit der jetzt vorliegenden Revisionsvorlage wird vor allem die Ressourcierung der Sonderpädagogik im Bildungsgesetz verankert. Damit sollen auch die Kosten der speziellen Förderung und der Sonderschulung stabilisiert werden. Vorgesehen ist, dass die Mittel nicht primär in die individuelle Förderung, sondern vor allem in die Unterstützung von ganzen Klassen fliessen. Die Schulen erhalten Lektionenpools zugewiesen. Diese werden aufgeteilt in einen Pool für sprachliche Förderangebote gemäss der Anzahl Fremdsprachiger sowie in einen Pool für Spezielle Förderung. In beiden Fällen können die Schulen selber entscheiden, in welchem Ausmass sie die Mittel für separative oder für integrative Massnahmen verwenden. Alle fünf Jahre soll die Ressourcierung überprüft und je nach Bedarf angepasst werden. Wenn nötig können auch zusätzliche Ressourcen beansprucht werden – etwa wenn sowohl integrative als auch separative Massnahmen dies erfordern. Unverändert bleibt die Zuständigkeit: Für die spezielle Förderung auf der Primarschulstufe sind die Gemeinden zuständig, für die Sekundarstufe der Kanton. Für die Sonderschulung ist in jedem Fall der Kanton zuständig. Dies führt zu einem Zielkonflikt. Den Gemeinden wird der Anreiz genommen, Kinder mit besonderen Bedürfnissen einer Privatschule zuzuweisen, weil damit die Finanzierung nicht an den Kanton abgetreten werden könnte. Entscheidende Bedeutung kommt diesem Umstand theoretisch nicht zu, denn für Abklärungs­ und Diagnoseaufgaben tragen weiterhin Fachpersonen die Verantwortung. Die Schulleitungen entscheiden nur über die Umsetzung der Speziellen Förderung. In jedem Fall angehört werden müssen die Eltern.


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