21. Februar 2019

Schüler schwänzt Projektwoche, Eltern verurteilt


Noch zwei Wochen Schule, dann konnte ein neues Leben beginnen. Der 16jährige Aargauer hatte sich in der Vergangenheit bestens geschlagen, die Abschlussnote von 5,1 ist ein klarer Beleg dafür. Doch zum Jubeln war ihm und seinen Eltern im Sommer 2018 dennoch nicht zumute. Man habe mit der Schule und den Lehrkräften stets ein sehr gutes Verhältnis gehabt, sagten die Eltern am Bezirksgericht Bremgarten, wo sie zu jenem Vorfall befragt wurden, der das bisher gute Einvernehmen nachhaltig trübte. 
Streit um Projektwoche: Eltern verurteilt, Basellandschaftliche Zeitung, 21.2. von Toni Widmer


Es ging um eine Projektwoche. Angesagt war vorab ein fröhlicher Tag im Alpamare. Das hätte dem Schüler noch durchaus gepasst. Was folgte, fand er weniger lustig. Geplant waren ein Besuch der UMA-Schule (unbegleitete minderjährige Asylsuchende) in Aarau, am darauffolgenden Tag dessen Aufarbeitung sowie am dritten Tag der Gegenbesuch der jungen Asylsuchenden in Wohlen. 

Laut der Eltern hatte ihr Sohn negative Erfahrungen mit Asylbewerbern gemacht und deshalb den Sinn einer Beschäftigung mit diesem Thema ganz und gar nicht eingesehen. Eine politische Komponente wiesen die Eltern von sich: «Es ging auch darum, dass andere Klassen attraktivere Projektwochen durchführten. Eine Klasse reiste nach Genf, eine machte einen Hilfseinsatz bei einem Bergbauern. Da hat sich unser Sohn benachteiligt gefühlt.» Erwähnenswert war für die Eltern vor Gericht, dass die Schulklasse Geld sammeln musste, um den UMA-Jugendlichen die Busreise für den Gegenbesuch in Wohlen zu ermöglichen. Die Klasse hätte aber bereits zuvor Geld für eine Abschlussreise gesammelt, die aus Zeitmangel nicht durchgeführt wurde. «Das hat unseren Sohn zusätzlich geärgert», sagte die mitangeklagte Mutter. 

Busse und Strafe 
Auf Gespräche an einem Elternabend folgten Briefwechsel und die Ablehnung eines Dispensationsgesuches. Trotzdem blieb der 16-Jährige in der Projektwoche zu Hause. «Er hat Anstand und zeigt Einsatz, hat aber auch eine ausgeprägte eigene Meinung. Die soll etwas gelten, und deshalb haben wir ihn gestützt», sagte der Vater, ein SVP-Politiker. Er hielt fest: «Für uns kam aber auch nicht infrage, dass er sich nun eine Woche ausruhte. Er hat einen Sozialeinsatz im Reusspark geleistet und zwei Tage lang bei mir im Geschäft arbeiten müssen.» Auch diese Alternative habe man der Schule vorgeschlagen, aber auch darauf sei man dort nicht eingegangen, bedauerte der Vater: «Die ganze Sache hätte man anders regeln können, es ist schade, dass es zu einem Gerichtsfall hat kommen müssen.»

Bleiben Kinder dem Unterricht fern, macht die Schulpflege eine Anzeige, und die Eltern werden bestraft. 700 Franken Busse plus 600 Franken Strafbefehlsgebühr für den Vater und die gleichen Beträge für die Mutter lautete in diesem Fall das Verdikt der Staatsanwaltschaft. Sie waren nicht die Einzigen: Drei weitere Elternpaare, deren Kinder nicht an der Projektwoche teilnahmen, sind gleich bestraft worden. Nicht alle haben den Entscheid an das Bezirksgericht weitergezogen. «Es geht um die Konsequenz», sagte der Vater, «wir fühlen uns nicht schuldig. Wir haben lediglich unseren Sohn unterstützt, weil wir seine eigene Meinung respektieren.» 

Der Verteidiger des Elternpaares plädierte – unter anderem – mit diesem Argument auf Freispruch: «Es geht hier um einen selbstbewussten jungen Mann mit besten Schulnoten, der aus seiner Warte heraus beschlossen hat, er wolle an dieser Projektwoche nicht teilnehmen. Er hat entschieden, nicht seine Eltern. Sie haben ihn in seinem Vorgehen lediglich unterstützt und dürfen dafür sicher nicht bestraft werden.» 

Der Verteidiger nahm weiter zwar die Bezeichnung «ideologisch gefärbte Projektwoche» in den Mund, erklärte aber gleichzeitig auch: «Nicht die Eltern haben aus politischen Gründen ihren Sohn von der Projektwoche ferngehalten, der Sohn hat aus verschiedenen Gründen entschieden, dort nicht teilnehmen zu wollen.» Die ganze Sache, fand der Anwalt, sei vor allem auch eine Machtdemonstration der Schule: «Sie wollten der Familie noch einmal zeigen, wo der Bartli den Most holt – zwei Wochen vor Schulschluss. 

«Nicht wie beim Coiffeur» 
Der Gerichtspräsident Lukas Trost sah es anders und sprach das Ehepaar der Widerhandlung gegen das Schulgesetz schuldig: «Es geht hier nicht um die Politik», hielt er in seiner kurzen Urteilsbegründung fest, «und es geht auch nicht darum, ob die Projektwoche gut war oder weniger gut.» Es gehe um die Einhaltung des Schulgesetzes. «Es ist in der Schule nicht wie beim Coiffeur, wo man kurzfristig einen Termin absagen kann.» Es gebe klare Regeln. 

Auch Sinn und Zweck der Projektwoche seien nicht Gegenstand in der Beurteilung dieses Falles: «Man kann über Sinn und Zweck von Tempo 80 zwar diskutieren, aber man muss dieses Limit trotzdem einhalten», sagte Trost. Laut Schulgesetz seien die Eltern verpflichtet, ihre Kinder zum regelmässigen Schulbesuch anzuhalten: «Es geht nicht, dass man zu Hause bleibt, weil einem Mathematik oder ein anderes Fach nicht zusagt. Man muss sich an die Regeln halten, andernfalls wird man bestraft.»

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