Noch zwei
Wochen Schule, dann konnte ein neues Leben beginnen. Der 16jährige Aargauer
hatte sich in der Vergangenheit bestens geschlagen, die Abschlussnote von 5,1
ist ein klarer Beleg dafür. Doch zum Jubeln war ihm und seinen Eltern im Sommer
2018 dennoch nicht zumute. Man habe mit der Schule und den Lehrkräften stets
ein sehr gutes Verhältnis gehabt, sagten die Eltern am Bezirksgericht
Bremgarten, wo sie zu jenem Vorfall befragt wurden, der das bisher gute
Einvernehmen nachhaltig trübte.
Streit um Projektwoche: Eltern verurteilt, Basellandschaftliche Zeitung, 21.2. von Toni Widmer
Es ging um eine Projektwoche. Angesagt war
vorab ein fröhlicher Tag im Alpamare. Das hätte dem Schüler noch durchaus
gepasst. Was folgte, fand er weniger lustig. Geplant waren ein Besuch der
UMA-Schule (unbegleitete minderjährige Asylsuchende) in Aarau, am
darauffolgenden Tag dessen Aufarbeitung sowie am dritten Tag der Gegenbesuch
der jungen Asylsuchenden in Wohlen.
Laut der Eltern hatte ihr Sohn negative
Erfahrungen mit Asylbewerbern gemacht und deshalb den Sinn einer Beschäftigung
mit diesem Thema ganz und gar nicht eingesehen. Eine politische Komponente
wiesen die Eltern von sich: «Es ging auch darum, dass andere Klassen
attraktivere Projektwochen durchführten. Eine Klasse reiste nach Genf, eine
machte einen Hilfseinsatz bei einem Bergbauern. Da hat sich unser Sohn
benachteiligt gefühlt.» Erwähnenswert war für die Eltern vor Gericht, dass die
Schulklasse Geld sammeln musste, um den UMA-Jugendlichen die Busreise für den
Gegenbesuch in Wohlen zu ermöglichen. Die Klasse hätte aber bereits zuvor Geld
für eine Abschlussreise gesammelt, die aus Zeitmangel nicht durchgeführt wurde.
«Das hat unseren Sohn zusätzlich geärgert», sagte die mitangeklagte Mutter.
Busse und Strafe
Auf Gespräche an einem Elternabend folgten Briefwechsel und
die Ablehnung eines Dispensationsgesuches. Trotzdem blieb der 16-Jährige in der
Projektwoche zu Hause. «Er hat Anstand und zeigt Einsatz, hat aber auch eine
ausgeprägte eigene Meinung. Die soll etwas gelten, und deshalb haben wir ihn
gestützt», sagte der Vater, ein SVP-Politiker. Er hielt fest: «Für uns kam aber
auch nicht infrage, dass er sich nun eine Woche ausruhte. Er hat einen
Sozialeinsatz im Reusspark geleistet und zwei Tage lang bei mir im Geschäft
arbeiten müssen.» Auch diese Alternative habe man der Schule vorgeschlagen,
aber auch darauf sei man dort
nicht eingegangen, bedauerte der Vater: «Die ganze Sache hätte man anders
regeln können, es ist schade, dass es zu einem Gerichtsfall hat kommen müssen.»
Bleiben Kinder dem Unterricht fern, macht die Schulpflege eine Anzeige, und die
Eltern werden bestraft. 700 Franken Busse plus 600 Franken Strafbefehlsgebühr
für den Vater und die gleichen Beträge für die Mutter lautete in diesem Fall
das Verdikt der Staatsanwaltschaft. Sie waren nicht die Einzigen: Drei weitere
Elternpaare, deren Kinder nicht an der Projektwoche teilnahmen, sind gleich
bestraft worden. Nicht alle haben den Entscheid an das Bezirksgericht
weitergezogen. «Es geht um die Konsequenz», sagte der Vater, «wir fühlen uns
nicht schuldig. Wir haben lediglich unseren Sohn unterstützt, weil wir seine
eigene Meinung respektieren.»
Der Verteidiger des Elternpaares plädierte –
unter anderem – mit diesem Argument auf Freispruch: «Es geht hier um einen
selbstbewussten jungen Mann mit besten Schulnoten, der aus seiner Warte heraus
beschlossen hat, er wolle an dieser Projektwoche nicht teilnehmen. Er hat
entschieden, nicht seine Eltern. Sie haben ihn in seinem Vorgehen lediglich
unterstützt und dürfen dafür sicher nicht bestraft werden.»
Der Verteidiger
nahm weiter zwar die Bezeichnung «ideologisch gefärbte Projektwoche» in den
Mund, erklärte aber gleichzeitig auch: «Nicht die Eltern haben aus
politischen Gründen ihren Sohn von der Projektwoche ferngehalten, der Sohn hat
aus verschiedenen Gründen entschieden, dort nicht teilnehmen zu wollen.» Die
ganze Sache, fand der Anwalt, sei vor allem auch eine Machtdemonstration der
Schule: «Sie wollten der Familie noch einmal zeigen, wo der Bartli den Most
holt – zwei Wochen vor Schulschluss.
«Nicht wie beim Coiffeur»
Der
Gerichtspräsident Lukas Trost sah es anders und sprach das Ehepaar der
Widerhandlung gegen das Schulgesetz schuldig: «Es geht hier nicht um die
Politik», hielt er in seiner kurzen Urteilsbegründung fest, «und es geht auch
nicht darum, ob die Projektwoche gut war oder weniger gut.» Es gehe um die
Einhaltung des Schulgesetzes. «Es ist in der Schule nicht wie beim Coiffeur, wo
man kurzfristig einen Termin absagen kann.» Es gebe klare Regeln.
Auch Sinn und
Zweck der Projektwoche seien nicht Gegenstand in der Beurteilung dieses Falles:
«Man kann über Sinn und Zweck von Tempo 80 zwar diskutieren, aber man muss
dieses Limit trotzdem einhalten», sagte Trost. Laut Schulgesetz seien die
Eltern verpflichtet, ihre Kinder zum regelmässigen Schulbesuch anzuhalten: «Es
geht nicht, dass man zu Hause bleibt, weil einem Mathematik oder ein anderes
Fach nicht zusagt. Man muss sich an die Regeln halten, andernfalls wird man
bestraft.»
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