B,
E, oder P? Die Lehrperson entscheidet, in welche Sek-Stufe das Schulkind kommt.
Die Eltern können sich wehren und ihren Nachwuchs an die neue kantonale
Kontrollprüfung schicken. Das ändert aber selten etwas.
Die Lehrer teilen zu, die Eltern können neu Einsprache erheben und eine Kontrollprüfung verlangen, Bild: Solothurner Zeitung
Kontrollprüfung, Solothurner Zeitung, 18.5. von Noëlle Karpf
Seit diesem Schuljahr gilt ein neues
Übertrittsverfahren; das sogenannte Empfehlungsverfahren. Die Noten der fünften
Klasse zählen nicht mehr für den Übertritt. Auch die «OA» (Orientierungsarbeit)
wurde abgeschafft. Dafür fällt die Empfehlung der Lehrperson stärker ins
Gewicht. Sie stützt sich auf regionale Vergleichstest, die jede Schule ab der
5. Klasse mindestens einmal durchführen sollte, beurteilt Leistungen aus dem
Regelunterricht und gibt eine Einschätzung zum Lernverhalten des Kindes ab.
Im Rahmen eines Übertrittsgespräch macht sie den Eltern klar, wie sie das Niveau
des Kindes einschätzt. B, E, oder P? Meist sind sich Eltern und Lehrer einig.
Aber: «Es gibt immer Eltern, die nicht einverstanden sind», sagt Elisabeth
Ambühl-Christen, Abteilungsleiterin Schulbetrieb beim Solothurner
Volksschulamt. Diese Eltern haben seit diesem Schuljahr eine Möglichkeit, diese
Einschätzung anzufechten – indem sie ihr Kind eine zusätzliche Prüfung schreiben
lassen.
180 Minuten Mathe und Deutsch
Diese Kontrollprüfung fand dieses Jahr zum ersten Mal statt. Im April in Solothurn,
Olten und Breitenbach. Laut Volksschulamt mussten 190 Schüler aus dem Kanton
antraben. In zwei Blöcken à 90 Minuten lösten sie Mathe- und Deutschaufgaben.
Lesen und Verstehen, Rechtschreibung, Brüche, Geometrische Formen.
Dann gelten die Notendurchschnitte auf die sich auch die Lehrperson bei ihrer
Empfehlung stützt: ab 4.6 Sek-E. Ab 5.2 Sek-P. Die Kontrollprüfung zählt aber
nur, wenn sie besser ausfällt, als die ursprüngliche Lehrerempfehlung. Laut
Ambühl-Christen ist dieser Test eine «gute Möglichkeit» für Eltern, sich
abzusichern – wenn sie den Entscheid des Lehrers anzweifeln.
Weniger Prüfungsdruck?
190 Kinder, die an die Kontrollprüfung gehen. Das seien doch «relativ Viele», sagt
Roland Misteli, Geschäftsleiter des Solothurner Lehrerverbands (LSO). Ist das
neue Verfahren mühsam? Müssen Lehrer mit Eltern «schtürmen», die dann doch
darauf beharren, ihr Kind noch eine Prüfung schreiben zu lassen? Es sei noch zu
früh, um Bilanz zu ziehen, so Misteli. In ersten Rückmeldungen der Lehrer
hiesse es aber: «entspannt».
Die Kinder seien weniger unter Prüfungsdruck, weil nicht schon ab der 5. Klasse die
Noten für den Übertritt zählen. Und keine grosse «OA» mehr ansteht, die
entscheidend ist. Weniger Prüfungsdruck und weniger «teaching to the test» –
das waren einige der Beweggründe für das neue Übertrittsverfahren.
Etwas Druck bleibt aber, berichtet Peter Brotschi, Lehrer in Grenchen und CVP-Kantonsrat.
Und zwar in der Zeit in der 6. Klasse, in der die Tests für das entscheidende
Zeugnis geschrieben werden. «Diese Zeit zählt. Und das wissen die Kinder auch.»
Aber es gehöre schliesslich auch dazu, dass Kinder lernen, mit etwas Druck
umzugehen.
"Die Stunde der Wahrheit"
Brotschi schätzt das neue Verfahren als grundsätzlich praktikabel ein. Als «kritisch»
bezeichnet er den Zeitplan zwischen den letzten Tests und der
Empfehlungsabgabe, bevor dann die Kontrollprüfung ansteht. In zwei Wochen habe
er 23 Elterngespräche geführt. Diese habe er dafür als «konstruktiv» erlebt.
Aber: "Es braucht völlige Transparenz», sagt der Lehrer. Man müsse von Anfang an klar
machen, welche Notenwerte welchem Sek-Niveau entsprechen. Die Noten kennen die
Eltern, da sie sie jeweils unterschreiben müssen. So überschätzen sie das Kind
auch nicht, wollen es nicht in eine andere Stufe drücken.
Brotschi gibt jedoch auch zu Bedenken, dass beim Übertritt die «Stunde der Wahrheit» für
Kinder in der speziellen Förderung schlägt. Die Kinder, die mit ihren Gspändli
in die gleiche Klasse gingen, aber andere Vorgaben und Lernziele hatten. Auch
sie kommen in die Oberstufe.
B, E, oder P? Für B oder P reicht es oft nicht. Dazu wird auch entschieden, ob die
Kinder auch in der Sek 1 noch speziellen Förderbedarf haben. Es sei nicht immer
ganz einfach, das den Eltern beizubringen, so Brotschi. Zur Kontrollprüfung
musste nur ein Kind aus seiner Klasse, das knapp zwischen dem Niveau zweier
Stufen stand.
Nur bei 7 Schüler andere Stufe
Anfang diese Woche wurden nun die definitiven Übertrittentscheide mitgeteilt. Nur in
sieben Fällen änderte die Kontrollprüfung etwas an der ursprünglichen
Empfehlung der Lehrperson. 129 der 190 Kinder wollten von der Sek B in die Sek
E. Geschafft haben es 3. Die restlichen 61 versuchten den Sprung von Sek E in
Sek P zu ändern. Geschafft haben es 4.
"Für uns bedeutet das: Die Lehrpersonen können gut einschätzen, welches Niveau das
richtige ist», sagt die Leiterin Schulbetrieb beim Volksschulamt
Ambühl-Christen. Auch Misteli vom LSO sagt: «Das verhebt.»
An den Resultaten der Kontrollprüfung gibt es für die Eltern nun nichts mehr zu
rütteln. Dafür können sie gegen das gesamte Übertrittsverfahren innert 10 Tagen
Beschwerde einlegen. Nach dem Start in die Sek kann das Kind auch noch in eine
andere Stufe eingeteilt werden. «Es gibt immer Eltern, die nicht zufrieden
sind», betont Ambühl-Christen. «Auch nach der Kontrollprüfung.»
Die Sek-P erreicht ein Schulkind mit einem Notendurchschnitt von 5.2. In die Sek-E werden Schüler eingestuft, die einen Schnitt von 4.6 und höher haben. Alles darunter entspricht dem Niveau Sek-B.
AntwortenLöschen190 Kinder im Kanton nahmen an der Kontrollprüfung teil, um eine Stufe höher eingeteilt zu werden. Geschafft haben es 7.
Quelle: Solothurner Zeitung