14. März 2015

Anwalt widerspricht Regierung

Ein Anwalt prüfte die Bündner Fremdspracheninitiative auf deren Gültigkeit. Er kommt zum Schluss, dass die eingereichte Initiative nicht "offensichtlich" gegen die Verfassung verstösst. Damit widerspricht er der Bündner Regierung, die die Initiative für ungültig erklären lassen will.
Fremdsprachen-Initianten wittern Morgenluft, Südostschweiz, 14.3. von Denise Alig


Kurz vor Weihnachten präsentierte Regierungsrat Martin Jäger, Vorsteher des Erziehungs-, Kultur und Umweltschutzdepartementes, im Namen der Bündner Regierung ein Gutachten von Professor Bernhard Ehrenzeller. Der an der Universität St. Gallen tätige Ehrenzeller kam zum Schluss, dass die im November 2013 mit 3709 gültigen Unterschriften eingereichte Volksinitiative «Nur eine Fremdsprache in der Primarschule» «in offensichtlichem Widerspruch zu den Bestimmungen der Bundesverfassung sowie der Kantonsverfassung» stehe. Entsprechend beantragte die Regierung dem Grossen Rat, die Initiative bei deren Behandlung im kommenden April für ungültig zu erklären.

Daraufhin hat das vom Klosterser Primarlehrer Georg Luzi angeführte Initiativkomitee den Churer Rechtsanwalt Otmar Bänziger beauftragt, «die Gültigkeit der Initative objektiv abzuklären». Inzwischen liegt auch Bänzigers Gutachten vor, wie die Initianten gestern mitteilten.

Initiative wird aufrechterhalten
«Otmar Bänziger, einer der profiliertesten Rechtsanwälte im öffentlichen Recht in Graubünden, gelangt mit überzeugenden und nachvollziehbaren Argumenten zum Schluss, dass die Initiative bei der gewohnt verfassungskonformen Auslegung nicht offensichtlich gegen übergeordnetes Recht – sei es Bundesrecht oder kantonales Recht – verstösst», schreiben die Initianten. Beflügelt vom Ergebnis des Gutachtens betont das Initiativkomitee : «Wir teilen die Auffassung von Otmar Bänziger und halten daher an der Initiative fest. «

Ehrenzeller widerlegt
Im Kern verweist Bänziger in seinem Gutachten auf Artikel 14 der Kantonsverfassung. Er schreibt dazu: «Nach dem klaren Wortlaut von Artikel 14 der Kantonsverfassung stellt erst eine offensichtliche Verletzung von übergeordnetem Recht einen Ungültigkeitsgrund dar.» Damit werde dem demokratischen Grundsatz und der bundesgerichtlichen Praxis Rechnung getragen, wonach bei der (Un-)Gültigkeit von Volksinitiativen «in dubio pro popolo» (im Zweifel für das Volk) zu entscheiden sei. Weder in der entsprechenden Botschaft der Regierung an den Grossen Rat, noch im Gutachten Ehrenzeller werde erläutert, «weshalb oder inwiefern die angeblichen Verletzungen des Bundesrechts oder der Kantonsverfassung offensichtlich seien, so Bänziger. «Die blosse Behauptung vermag die Begründung nicht zu ersetzen.»

Noch kein Kommissionsentscheid

Das Gutachten Bänzigers kommt zu einem Zeitpunkt, da sich die vorberatende grossrätliche Kommission für Bildung und Kultur (KBK) zuhanden der April-Session des Parlaments eine Meinung zur Fremspracheninitiative bilden muss. Wie die Initianten der KBK in einem Brief mit Datum von gestern schreiben, sind sie der Kommission «dankbar, dass sie die Frage der Ungültigkeit der Initative bisher noch aufgeschoben hat». Weiter halten die Initianten in ihrem Schreiben fest, letzlich habe der Grosse Rat in der Frage der (Un-)Gültigkeit «als Gericht» zu fungieren. Dabei dürfe der Rat nicht von politischen oder eigenen Interessen leiten lassen, sondern er habe die Frage rein rechtlich zu würdigen. Dies, unter Berücksichtigung der Ansicht namhafter Staatsrechtler, wonach bei Initiativen im Zweifelsfall zugunsten einer Gültigkeit entschieden werden müsse. Regierungsrat Martin Jäger konnte sich gestern auf Anfrage nicht zur jüngsten Entwicklung äussern. Der Ball liege zurzeit bei der KBK, begründete Jäger sein Vorgehen.

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