Die Nidwaldner stimmen am 8. März über die Fremdspracheninitiative ab, Bild: Christian Beutler
Demokratischer Test für das Frühfranzösich, Tages Anzeiger, 11.2. von Anja Burri
Die Drohkulisse ist
aufgebaut. Sollten gewisse Deutschschweizer Kantone ihren Primarschülern nur
noch Englisch als Fremdsprache beibringen und die Landessprachen Französisch
oder Italienisch auf die Sekundarstufe verschieben, will Bundesrat Alain Berseteinschreiten.
Das hat der Kultur- und Innenminister im vergangenen Jahr wiederholt
durchblicken lassen.
Definitiv abgerechnet
wird im nächsten Sommer. Bis dann müssen die kantonalen Erziehungsdirektoren
(EDK) nämlich Bilanz ziehen, ob sie ihre eigene Fremdsprachenstrategie
erfüllen. Gemäss dieser sollen alle Primarschüler in der Schweiz zwei
Fremdsprachen – und davon eine zweite Landessprache – lernen müssen.
Bereits
viel früher, nämlich am nächsten Abstimmungssonntag vom 8. März, wird Bundesrat
Berset gespannt nach Nidwalden blicken. Dort entscheidet das Stimmvolk über die
Fremdspracheninitiative der SVP, die verlangt, dass in der Primarschule
nur noch eine Fremdsprache unterrichtet werden muss. Sagen die Nidwaldner Ja
zum Volksbegehren, müssten die Schüler künftig erst ab der siebten Klasse
Französisch lernen. Die einzige obligatorische Fremdsprache für die
Primarschüler wäre Englisch.
Es
droht ein Dominoeffekt
Nach dem Kanton Thurgau,
dessen Parlament im vergangenen Jahr das Frühfranzösisch abschaffte, würde sich
damit ein zweiter Kanton demokratisch legitimiert von der Sprachenstrategie
der EDK verabschieden. Weiter ist ein Dominoeffekt zu befürchten: Auch
in Luzern und Graubünden sind Fremdspracheninitiativen hängig. Anderswo
laufen ähnliche Bemühungen. Für die EDK dürfte es in der Folge immer
schwieriger werden, das gefürchtete Eingreifen des Bundes abzuwenden.
«Es
geht nur um Politik»
Wie die Nidwaldner
Abstimmung ausgeht, ist offen. Die Ausgangslage ist speziell: Die
Kantonsregierung unterstützt die SVP-Volksinitiative. Auf der anderen Seite
sind das Parlament, die meisten Parteien und der Lehrerverband gegen das
Volksbegehren. Gut drei Wochen vor der Abstimmung kommt niemand am emotional
diskutierten Thema vorbei. Die lokalen Zeitungen sind voller Leserbriefe, auf
den Strassen stehen Plakate beider Seiten. Den Gegnern der
Fremdspracheninitiative gehe es längst nicht mehr um pädagogische Argumente,
sagt der prominenteste Befürworter, Regierungspräsident und Bildungsdirektor
Res Schmid (SVP). «Da geht es nur um Politik.» Nidwalden gehöre zu den erfahrensten
Kantonen in Sachen Sprachunterricht, sagt er. Schon seit sieben Jahren würden
die Primarschüler in Englisch und Französisch unterrichtet; in mehreren Schulen
bereits seit neun Jahren. «Doch der Lernerfolg bleibt leider aus», sagt er.
Gleichzeitig hätten viele Kinder Mühe mit Deutsch und Mathematik. Diese beiden
Fächer müssten wieder erste Priorität geniessen. Darum werde bei der
Stundentafel die Anzahl Lektionen für Deutsch und Mathematik markant angehoben.
Schmid und seine Regierungskollegen haben auch schon Vorschläge zur Umsetzung
der Initiative gemacht: Damit das Französisch nicht geschwächt werde, brauche
es mehr Unterrichtsstunden auf der Sekundarstufe und einen verpflichtenden
Sprachaustausch.
Lehrer
gegen «Insellösung»
Aus Sicht der
Lehrerinnen und Lehrer lässt sich das Verschieben des Französischunterrichts
hingegen nicht so leicht lösen. Sie wehren sich gegen eine «Insellösung» beim
Fremdsprachenunterricht, die den Kanton von den Nachbarn isoliere. Ein
«Vorpreschen» Nidwaldens zum jetzigen Zeitpunkt sei zudem riskant, sagt Lea
Lowth, Präsidentin des Nidwaldner Lehrerverbands: Falls sich die Kantone darauf
einigten, nur noch eine Fremdsprache in der Primarschule zu unterrichten, werde
dies wohl eine Landessprache sein. Dies zeigten die Diskussionen der
vergangenen Monate. «Im schlimmsten Fall muss Nidwalden den
Fremdsprachenunterricht innert kürzester Zeit zweimal umstellen», sagt sie. Das
sei auch mit grossen Kosten für Lehrmittel, Lehrpläne oder die Lehrerausbildung
verbunden. Der von der Regierung propagierte Sprachaustausch sei zudem nicht so
einfach umzusetzen. Die Erfahrung zeige, dass es sehr schwierig sei, für eine
ganze Klasse Austauschplätze in der Romandie zu finden, sagt Lowth. Auch seien
viele Eltern nicht bereit, fremde Kinder bei sich aufzunehmen. Und es sei
nicht geklärt, wer die aufwendige Organisation übernehme.
Was die Eltern, ein
wichtiger Teil der Stimmbürger, denken, wird sich am 8. März zeigen. Einen
Hinweis liefert eine nicht repräsentative Umfrage unter über 600
Erziehungsberechtigten, die die Regierung vergangenes Jahr durchführen liess.
Gut die Hälfte der Befragten findet Französisch in der Primarschule nicht
wichtig. Die Kinder seien motivierter für den Englischunterricht.
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