Nun fokussiert Rutishauser auf das herrschende Chaos der sogenannten Integration. Diese mischt Schüler mit unterschiedlichem Lernstand und Motivation in den gleichen Klassen, dafür betreut von einem Heer von Heilpädagogen. "Manchmal müsste man zugeben können, dass eine Idee gescheitert ist", findet der Journalist und trifft damit den Nagel auf den Kopf. (uk)
"Am Schluss werden immer mehr Schüler zu teuren betreuten Sonderfällen", Bild: Sonntagszeitung
Hört endlich auf, an der gescheiterten Schulreform herumzuflicken, Sonntagszeitung, 26.10. von Arthur Rutishauser
Manchmal müsste man
zugeben können, dass eine Idee gescheitert ist, auch wenn es um die Schule
geht. Selbst dann, wenn die Idee eigentlich gut gemeint war. Die Schulreformen
in der Oberstufe zielten in den letzten Jahren darauf ab, möglichst viele
Schüler in dieselbe Regelklasse zu integrieren. Die frühere Trennung zwischen
den verschiedenen Niveau-Gruppen wurde vielerorts aufgegeben. Das führt
teilweise zur absurden Situation, dass Schüler der gleichen Klasse, bei
gleicher Prüfung und gleicher Fehlerzahl unterschiedliche Noten erhalten. Das versteht
natürlich keiner, weder die Schüler noch deren Eltern und auch nicht die
künftigen Lehrmeister. Darauf folgt, dass die Schüler die Lehrer und ihre Noten
nicht mehr ernst nehmen, die Eltern über die Noten zu streiten beginnen und die
Lehrmeister unabhängige Tests einführen, weil sie den Zeugnissen nicht mehr
trauen.
All das führt zu
Stress, Mehrbelastung und auch dazu, dass das Ansehen der Lehrpersonen sinkt.
Wenn im selben Schulzimmer auch noch Kinder sitzen, die «lernzielbefreit» sind,
also gar nicht mehr benotet werden, weil sie schulisch schlicht zu schwach
sind, sinkt fast zwangsläufig auch die Qualität des Unterrichts für diejenigen,
die später eine anspruchsvolle Lehre oder eine Mittelschule besuchen wollen.
Die Folge ist ein Boom bei den Nachhilfestunden und den Privatschulen bei all
denen, die es sich leisten können. Die Folge ist auch ein Ansturm aufs Gymi, wo
ganz andere Leistungsziele gelten. Das wiederum senkt das Niveau der Regelklassen
nochmals ab und damit nochmals das Ansehen des Lehrers, der vor einer solchen
Klasse steht.
Nun kann man
natürlich versuchen, am System herumzuflicken. Mit noch mehr Heilpädagogen,
psychologischen Beratungen oder Senkung der Schülerzahl, wie sie im Moment im
Kanton Zürich diskutiert und vom Lehrerpräsidenten vorgeschlagen wird. Am
Schluss werden immer mehr Schüler zu teuren betreuten Sonderfällen. Man kann
auch einen Lehrplan 21 erfinden, der Hunderte Seiten umfasst und die Lehrer gegenüber
allem absichert, nur nicht gegen die Realität im Klassenzimmer. Besser wäre zu
überlegen, ob es nicht an der Zeit wäre, schwierige oder lernschwache Schüler
wieder in Kleinkassen zusammenzufassen. Man sollte darüber nachdenken, ob es
wirklich sinnvoll ist, wenn in gewissen Kantonen nach zwanzig Jahren Schulreformen
jede einzelne Gemeinde ein eigenes System hat, um mit den Problemen im
Schulzimmer umzugehen. Das Bildungssystem in einem Land ohne Rohstoffe ist viel
zu wichtig, als dass es ein permanentes Experimentierfeld bleiben kann.
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